"Mit uns. Für mehr." - Interkulturelle Kommunikation an Hamburger Ganztagsschulen : Datum: Autor: Autor/in: Ralf Augsburg

Die Zusammenarbeit mit Eltern mit Migrationshintergrund ist an vielen Schulen fast nicht existent. Die Elternabende sind schlecht besucht. Höchstens zum Kuchen backen kommen Migranteneltern in die Schule. Was sind die Gründe, und wie lässt sich die Kooperation mit den Elternhäusern zum Wohl der Kinder verbessern? Mit der Veranstaltungsreihe "Mit uns. Für mehr. Eltern aller Kulturen gestalten Schule mit" zeigte die Serviceagentur "Ganztägig lernen" Hamburg, dass es bereits positive Beispiele gibt.

Etwa die Hälfte von Hamburgs Schülerinnen und Schülern stammt aus Zuwandererfamilien. Schon allein deshalb ist an den Ganztagsschulen der Hansestadt Vielfalt Programm. Unterschiedliche Kulturen und Erfahrungen bereichern den Horizont aller. Doch den Schulen fällt es sehr schwer, die Eltern dieser Kinder einzubinden. Die Resonanz auf Elternabenden ist generell mau, bezogen auf Migranten geht sie an manchen Schulen gegen null.

Die Gründe dafür können vielfältig sein: Möglicherweise verstehen manche Eltern die Einladungen gar nicht, wissen nicht, was von ihnen erwartet wird, haben Scheu, in die Schule zu kommen. Manchmal scheinen Informationen auch gar nicht durchzudringen, wie eine türkische Mutter beklagt: "Ich habe nicht gewusst, dass es so etwas wie einen Elternrat oder eine Elternversammlung gibt. Ich musste das alles selber erfragen und mich erkundigen. Die Schulen müssen da besser informieren."

Die Serviceagentur "Ganztägig lernen" Hamburg und die Agentur für Schulbegleitung im Landesinstitut für Lehrerbildung und Schulentwicklung sind überzeugt, dass diese Eltern in den Gremien der Schule und auf Stadtebene mitentscheiden sollten, um die Bildungschancen ihrer Kinder zu verbessern. Zu diesem Zweck riefen sie die Veranstaltungsreihe "Mit uns. Für mehr. Eltern aller Kulturen gestalten Schule mit" ins Leben. An drei Abenden im Laufe des Jahres 2008 wurden jeweils Eltern aus Afghanistan, der Türkei und Russland - den drei Hauptherkunftsländern von Hamburger Schülerinnen und Schülern mit Migrationshintergrund - eingeladen, um sich über Möglichkeiten zu informieren, sich am Schulleben zu beteiligen, und zur Teilhabe zu motivieren.

Persönliche Ansprache ist wichtig

Björn Steffen, Leiter der Serviceagentur, musste indes auch hier erfahren, wie schwierig es ist, Migranteneltern zu erreichen. "Die Resonanz auf die ersten drei Veranstaltungen war geringer, als wir uns das erhofft hatten", gibt er zu. Um so erfreuter zeigt Steffen sich über die Beteiligung am Abschlussabend am 4. November 2008 in der Aula des Landesinstituts, zu dem alle drei Migrantengruppen gemeinsam eingeladen wurden, um über Elternbeteiligung zu diskutieren und sich über gute Beteiligungsbeispiele aus Hamburg zu informieren.

Mehr als 100 Teilnehmerinnen und Teilnehmer waren erschienen und wurden von der Bildungssenatorin Christa Goetsch begrüßt: "In den Gremien unserer Schulen sind zu wenige Eltern aus Zuwandererfamilien repräsentiert. Um dies zu ändern, reichen keine Broschüren aus. Die persönliche Ansprache ist wesentlich. Auch die unmittelbaren Kontakte, die in Schulen durch Elterncafés, Mütternachmittage und Tage der offenen Tür ermöglicht werden, sind extrem wichtig." Während der Kontakt in den Grundschulen noch gut sei, reiße er meistens ausgerechnet in den 7. und 8. Jahrgangsstufen ab, wenn die Berufsorientierung anstehe.

Veranstalter mit Gast: Björn Steffen, Angela Kling und Latifa Kühn (v.l.) begrüßen Senatorin Christa Goetsch (2.v.r.). Photo: Wilfried Rähse

Kritisch merkte die Senatorin weiterhin an, man sei noch weit entfernt von einer Gleichstellung der Migranten, was sich beispielsweise an der oft mangelnden Wertschätzung von Mehrsprachigkeit in den Schulen zeige. In Hamburg würde es zumindest ermöglicht, dass Leistungen in den Muttersprachen Zeugnisrelevanz erlangten. Auch stünden Dolmetscher für Elterngespräche zur Verfügung und muttersprachliche Lehrkräfte agierten als Mittler zwischen den Schulen und Elternhäusern.

Informationen versanden oft in den Schulen

Dass indes nicht nur die Kommunikation zwischen den Schulen und Migrantenhaushalten verbesserungswürdig ist, demonstrierte Christa Goetsch mit der Frage an das Plenum, wer von den Anwesenden einen der vier Elternbriefe erhalten habe, die sie seit Mai versandt hat. Nur wenige Hände gingen in die Höhe. "In den Schulen versanden auch viele Informationen einfach", schloss die Senatorin daraus.

"Das Dreieck Schüler-Eltern-Lehrer muss in eine gute Balance gebracht werden", meinte Latifa Kühn, freiberufliche Dozentin und Beraterin für interkulturelle Kommunikation. Sie hatte die Projektleitung von "Mit uns. Für mehr" übernommen und moderierte den Abschlussabend. "Wie meine afghanischen Eltern vor 38 Jahren wissen Migranten heute nicht, welche Möglichkeiten sie zur Mitgestaltung haben."

In kleinen Diskussionsrunden tauschten sich die Teilnehmerinnen und Teilnehmer aus und stellten fest, dass es heute noch genauso ist. Beim Kuchenbacken seien Migranteneltern oft vertreten, aber ansonsten sei die Beteiligung am Schulleben sehr gering. "In manchen Kulturkreisen ist es nicht üblich, sich zu beteiligen", gab eine türkische Mutter zu bedenken. Eine Familienhelferin für türkische Familien ergänzte: "Die Eltern können oft wegen der Sprachbarriere nicht mit den Schulen zusammenarbeiten."

Übersetzungen sinnvoll

Manche Schulen bauen diese Barrieren nicht ab: "An unserer Schule war es nicht gewünscht, Aushänge in anderen Sprachen zu machen. Wir sind eine deutsche Schule, und wenn wir in den Sprachen der Herkunftsländern kommunizieren, nehmen wir den Eltern die Motivation, deutsch zu lernen", berichtete eine Grundschullehrerin. Ein Lehrer kritisierte diese Einstellung: "Wir müssen das Wohl der Kinder im Auge haben, und wenn es ihnen nützt, dann müssen die Eltern in ihren Herkunftssprachen kontaktiert werden. Es lernt doch kein Migrant deutsch, weil ein Aushang auf Deutsch ist. So bewahrt man nur die Nichtkommunikation."

Engagierte Diskussionen in der Aula des Landesinstituts. Photo: Wilfried Rähse

Eine Mutter vermisste grundsätzlich eine positive Haltung und Wertschätzung der Lehrerinnen und Lehrer gegenüber dem Engagement durch Eltern: Die Schule scheine die Beteiligung gar nicht zu wünschen.

Doch es geht auch anders: Eine Mutter berichtete von positiven Erfahrungen mit einem Gesprächskreis "Wie geht es mir auf einem Elternabend?" Da hätten Lehrerinnen und Lehrer gemeinsam mit Eltern sehr offen und ehrlich über Elternabende reflektiert: Was man erwartet, was man befürchtet, wie es gemeinsam besser gehen könnte. Zudem sei auch über die verschiedenen Gremien informiert worden. Eine andere Mutter ergänzte, dass die muttersprachlichen Elternabende an ihrer Schule gut besucht seien, ebenso wie ein einmal in der Woche stattfindendes Frühstück. Konsens bestand darin, dass Übersetzungen von Einladungen, Tagesordnungen und Informationen sinnvoll seien - diese aber ja gerade oft fehlten.

Eine Lehrerin empfahl, die "Einstiegsschwelle zu senken", indem man neben den offiziellen Veranstaltungen zum Beispiel den Eltern auch Klassenhospitationen und die Begleitung ihrer Kinder in die Schule ermögliche. "Die Schule sollte auch einen Raum einrichten, in dem die Eltern sich treffen können", ergänzte ein Vater. "Die Eltern stehen mit ihren Sorgen oft alleine da und könnten sich hier untereinander austauschen." In anderen Ländern gebe es sogar professionelle Elternkoordinatoren, die Eltern in die Schulen holten.

Elterntreff mit Muttersprachen

Zum Abschluss der Veranstaltung präsentierten sich gute Beispiele für die Einbindung von Migranteneltern. Die Grund- und Gesamtschule Alter Teichweg hat einen Elterntreff organisiert, auf dem klassenübergreifend Probleme in der Muttersprache besprochen werden können. Die Beteiligung an diesen Abenden ist hoch. Mit einer Telefonkette erreicht man alle Eltern. In der Sekundarstufe I wird Türkisch als Wahlpflichtfach angeboten.

In der Schule an der Burgweide, einer Integrativen Grundschule, hat man sehr gute Erfahrungen mit der Informationsweitergabe per CD gemacht. Die Elternbriefe waren fast gänzlich wirkungslos geblieben, die Elternbeteiligung sehr niedrig. Nach dem Verteilen von CDs, auf denen Kinder in verschiedenen Sprachen über die Schule, das Schulprogramm und den Ganztagsbetrieb informierten und zur Kontaktaufnahme mit der Ganztagsschule ermunterten, stieg die Beteiligung deutlich an. Zudem setzte die Schule Kulturmittlerinnen ein, die den Kontakt zwischen Schule und Elternhäusern herstellte. Klassische Elternabende finden nicht mehr statt, statt dessen setzt man auf Elternnachmittage bei Kaffee und Kuchen.

Die Ergebnisse des Austauschs werden sofort auf den Papiertischdecken festgehalten. Photo: Wilfried Rähse

Die Türkische Gemeinde Hamburg (TGH) engagiert sich mit dem Projekt "Regenbogen". Das Projekt wendet sich an Frauen mit Migrationshintergrund, die Deutsch lernen möchten und aus verschiedenen Gründen von Sprachkursangeboten nicht erreicht werden. Die "Regenbogen"-Sprachkurse richten sich an langsam lernende und lernungewohnte Frauen mit geringen Vorkenntnissen. Vor Kursbeginn wird der Sprachstand der Teilnehmerinnen in einem Test ermittelt.

"Aufsuchende Arbeit" für schwer erreichbare Migrantenmütter

Dabei ist die so genannte "aufsuchende Arbeit" bei der Projektarbeit entscheidend: Die Kursteilnehmerinnen werden als bereits "homogene Gruppe" an dem Ort unterrichtet, an dem die Gruppe existiert. Beispielsweise Frauengruppen von Moscheen oder Kirchen, Frauen deren Kinder die gleiche Schule oder den gleichen Kindergarten besuchen. Dieses Vorgehen motiviert und gewährleistet, dass die Frauen in einem familiären Umfeld Deutsch lernen.

Bei der Auswahl der Kursleiterinnen wird darauf geachtet, dass sie mit der Kultur des Herkunftslandes der jeweiligen Gruppe vertraut sind und außerdem neben ihrer Zusatzqualifikation für Deutsch als Fremdsprache oder Zweitsprache möglichst zweisprachig sind. Dies schafft eine Vertrauensgrundlage, aus der heraus ein positives Gruppengefühl entsteht. Die Teilnehmerinnen fühlen sich wohl und können in schwierigen Situationen von der Gruppe unterstützt und getragen werden. Bei Bedarf wird auch eine kursbegleitende Kinderbetreuung organisiert, um Müttern die Kursteilnahme zu ermöglichen.

Flankierend zu den Sprachkursen bieten Fachreferenten integrationsspezifische Themen innerhalb der Kurse an und sprechen über Kindererziehung, das Schulsystem, gesunde Ernährung oder Krankheiten wie zum Beispiel Depressionen. Darüber hinaus bieten Sozialpädagogen Beratungsgespräche an, sei es in den Räumlichkeiten der TGH, in den Wohnungen der Familien oder in den Organisationen, in denen sich die Teilnehmerinnen gern aufhalten.

Mit dem Abschlussabend der Reihe "Mit uns. Für mehr." habe man eine "Zustandsbeschreibung" geschafft, resümierte Björn Steffen. "Sie haben sich untereinander kennen gelernt, und im Landesinstitut sowie in der Behörde werden wir die Arbeit mit diesem Thema fortsetzen, das ich für sehr wichtig halte: Der Erfolg einer Ganztagsschule hängt auch von der Elternarbeit ab."

 

Kategorien: Service

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