Lernen von A bis Z : Datum: Autor: Autor/in: Ralf Augsburg
Schulbesuche bilden den Kern der Kongresse des Ganztagsschulverbandes GGT e.v.. Beim diesjährigen Kongress vom 14. bis 16. November 2007 in Leipzig stand die Ganztagsschulentwicklung in Sachsen im Mittelpunkt, und es gab die Möglichkeit, 18 Ganztagsschulen in und um Leipzig zu besuchen. Eine davon war das F.-A.-Brockhaus-Gymnasium, das seit einem Jahr mit einer offenen Ganztagskonzeption arbeitet.
Die Tagungsorte der Kongresse des Ganztagsschulverbandes sind traditionell nicht nur Kulisse, sondern werden durch Schulbesuche und Informationen über die jeweilige Ganztagsschulsituation in Kommune und Land in die inhaltliche Arbeit der Veranstaltungen einbezogen. So auch beim diesjährigen Kongress, der vom 14. bis 16. November 2007 in Leipzig stattfand. Frei nach dem Motto "Reisen bildet" konnten sich die aus ganz Deutschland angereisten rund 350 Teilnehmerinnen und Teilnehmer über den Stand der Ganztagsentwicklung in Sachsen informieren und einen Tag später die Realität in den Schulen der Stadt direkt in Augenschein nehmen.
Sächsische Schulen erhalten 200 Millionen Euro aus dem Investitionsprogramm "Zukunft Bildung und Betreuung" (IZBB) des Bundes für Bau- und Sachinvestitionen. Der Freistaat gibt jährlich 30 Millionen Euro aus, die für Honorare verwendet werden können. Ganztagsschulen, die mehr als die Hälfte ihrer Schülerinnen und Schüler für die Ganztagsangebote gewinnen, erhalten einen Bonus von 10.000 bis 20.000 Euro. Zehn Prozent davon müssen sie allerdings selbst aufbringen. Die Servicestelle Ganztagsangebote, die in Kooperation mit der Deutschen Kinder- und Jugendstiftung im Sächsischen Kultusministerium angesiedelt ist, berät und unterstützt Schulen mit Ganztagsangeboten und solche, die es noch werden wollen.
"Die großen Impulsgeber zur Einführung von Ganztagsschulen sind in Sachsen die Eltern und die Kommunen", berichtete Dr. Ina Lehmann, Mitarbeiterin im Sächsischen Staatsministerium für Kultus und Leiterin der Servicestelle Ganztagsangebote, dem Plenum. "Besonders Förderschulen sind sehr engagiert, kreativ und mit viel Freude gestartet. Inzwischen sind es vor allem die Mittelschulen, die ganztägige Angebote machen."
Neben den schon immer an den Grundschulen angesiedelten Horten - es gibt 847 Grundschulen mit 604 Horten - bestand ein weiterer Nukleus der Ganztagsangebote in Sachsen im Programm der Schuljugendarbeit, das von 1997 bis 2007 lief und zunächst sinnvolle Freizeitgestaltung an Mittelschulen am Nachmittag förderte, sich zunehmend aber in ein "Fördern und Fordern"-Programm wandelte.
Mit den Jahren steigt die Verbindlichkeit
Inzwischen gibt es viele Mischformen von Ganztagsschulen im Land mit wechselnder Verbindlichkeit oder langen und kurzen Tagen innerhalb der Woche. Die Landesregierung verfolgt das Ziel, Ganztagsschulen in allen Teilen Sachsens anzubieten. Die qualitativ hochwertigen Ganztagskonzeptionen sollen der Schulentwicklung mit der Weiterentwicklung von Unterricht und Organisation und der Fortbildung des Personals dienen. Ganztagsschulen sollen die individuellen Lernvoraussetzungen verbessern und damit Chancengleichheit befördern und Leistungssteigerungen ermöglichen.
Ina Lehmann
"Die Schulen streben die Einführung von Ganztagsangeboten oft an, weil sie an einer Verbesserung der sozialen Kompetenzen der Schülerinnen und Schüler interessiert sind", erklärte Ina Lehmann. "Die Eltern erhoffen sich von der Ganztagsschule eine Hausaufgabenbetreuung, verstärkte individuelle Förderung und vielfältige Freizeitangebote."
Unterschiedlich seien aber die Ansichten der Schulen und der Eltern, was den Grad der Verbindlichkeit angehe: Während die Lehrerinnen und Lehrer sich mehrheitlich die gebundene Ganztagsschulform wünschten, wollten die Eltern die offene Ganztagsschule. "Wir haben beobachtet, dass überwiegend mit der offenen Ganztagsschule gestartet wird, sich der Grad der Verbindlichkeit dann aber mit den Jahren steigert", so Ina Lehmann.
Unabhängig von der Organisation der Ganztagsangebote haben Umfragen der Technischen Universität Dresden eine hohe Lehrerzufriedenheit und eine Elternzufriedenheit von rund 80 Prozent ergeben. Die Umfragen zeigen auch, dass Ganztagsschülerinnen und -schüler lieber zur Schule gehen als Halbtagsschülerinnen und -schüler.
Intensives Nachdenken und große Widerstände
Am F.-A.-Brockhaus-Gymnasium im Nordosten Leipzigs hat sich innerhalb eines Jahres die Bereitschaft von Lehrerinnen und Lehrern erhöht, sich für Ganztagsangebote zu engagieren. Bei der Entscheidung Mitte 2006, offene Ganztagsschule zu werden, gab es noch große Widerstände. Zwar engagierten sich schon zuvor Kolleginnen und Kollegen im Freizeitbereich und in der zusätzlichen individuellen Förderung und es gab ein "intensives Nachdenken" über die Einführung der Ganztagsschule, wie sich Birgit Carstens, Fachleiterin für Naturwissenschaften, erinnert. Doch als ein neuer Tarifvertrag die Lehrerschaft auf reduzierte Stundenzahl und 80 Prozent der Bezüge setzte, wollten sich einige Lehrerinnen und Lehrer nicht wieder durch die Hintertür als "billige Lehrkräfte" für den Ganztagsbereich einkaufen lassen.
Als dann aber bekannt wurde, dass für das Schuljahr 2006/2007 nicht alle Fördermittel des Landes abgerufen worden waren und noch zur Verfügung standen, diskutierte die Schule mitten in der Endphase des Schuljahres 2005/2006 noch einmal. Nach einer positiven Befragung von Schülern und Eltern beschloss die Gesamtkonferenz mit Mehrheit die Einführung der offenen Ganztagsschule. Der Förderverein stellte dann den entsprechenden Antrag, und nach Eingang der Fördergelder ging es im November 2006 los.
Hospitationsgruppe im Balettraum des Brockhaus-Gymnasiums
Rund 700 Schülerinnen und Schüler besuchen das Brockhaus-Gymnasium, das mit dem Slogan "Lernen von A bis Z" wirbt, davon etwa 300 die offenen Ganztagsangebote. Das Einzugsgebiet ist gemischt: Die Kinder kommen aus unterschiedlichen sozialen Schichten, aus Plattenbausiedlungen und aus Einfamilienhäusern in den Randgemeinden. In jedem Fall gibt es "einige Kinder, die Zeit und Zuspruch benötigen", wie es Lehrerin Carstens formuliert.
66 Lehrerinnen und Lehrer unterrichten in zwei Gebäuden, in einem repräsentativen Altbau aus dem Kaiserreich, der 1992 saniert wurde, und einem sanierungsbedürftigen "Neubau" aus dem Jahr 1976. Obwohl in den letzten Jahren zwei Schulen mit dem Brockhaus-Gymnasium fusionierten, besteht wegen der massiv zurückgegangenen Schülerzahlen ausreichender Platz. Neben einem großen Schulhof gibt es gleich zwei Turnhallen.
Ausweitung der Angebote steht bevor
Von Montag- bis Donnerstagnachmittag laufen die Arbeitsgemeinschaften. Für die Angebote konnte die Schule nach einer Befragung Eltern, Referendare, Studenten und Lehrer gewinnen. "Inzwischen gibt es viele Anfragen von Verbänden und Einzelpersonen, die etwas anbieten möchten", erzählt Barbara Carstens, die als Fachleiterin Mitglied der Ganztagssteuergruppe ist. Die Angebote reichen von Fotografie und Film, Prävention von Haltungsschäden, Gitarrenunterricht, Unihockey über Plastisches Gestalten und Philosophie bis zu Computernetzwerken und Darstellendem Spiel.
Blick in die Stundentafel der Nachmittagsangebote des Brockhaus-Gymnasiums
"Zu Beginn dieses Schuljahres haben wir das Angebot ein wenig verändert, zum Beispiel eine Chinesisch-AG und eine AG ,Gewusst wie - Wege in die gymnasiale Oberstufe' hinzugefügt", berichtet die Lehrerin. "Unser Augenmerk lag auf Kontinuität. Die Akzeptanz und die Auslastung der Kurse sind gestiegen. Jetzt bereiten wir die Ausweitung der Ganztagsangebote auf die gymnasiale Oberstufe vor."
Der Zeitplan für die Organisation der Angebote sieht dabei so aus: Im Mai recherchiert die Steuergruppe, die aus den drei Fachleitern besteht, Schülerwünsche und mögliche Angebote. Von Juni bis August gibt es Vorabsprachen zu Verträgen und voraussichtlichen Sachkosten, und Birgit Carstens stellt die Finanzplanung auf. Am ersten Schultag erhalten die Klassen dann die Angebotsliste. In der zweiten Schulwoche werden die Eintragungen analysiert und eine Woche darauf der Zeitplan auf der Homepage des Gymnasiums veröffentlicht. Damit startet dann der Ganztagsbetrieb.
"Lernen lernen" soll Methodenkompetenz verbessern
Die Hausaufgabenbetreuung läuft momentan in den Klassen 5 bis 7 von 13.30 bis 15.00 Uhr. Laut Barbara Carstens hat man dabei sehr gute Erfahrungen mit Lehramtsstudenten gemacht. Ebenfalls auf die Klassen 5 und 6 beschränkt ist der "Lernen lernen"-Kurs. Dafür wird eine Klasse geteilt, sodass die Kinder diesen einstündigen Kurs 14-tägig besuchen. Als Pflichtveranstaltung am Vormittag ist dies das einzige Element, was in Richtung teilgebundene Ganztagsschule weist. "Wir waren mit der Methodenkompetenz bei unseren Schülerinnen und Schülern unzufrieden", beschreibt Lehrerin Carstens die Motivation hinter der Einführung dieses Kurses.
Im "Lernen lernen"-Kurs erfahren die Kinder etwas über Arbeitstechniken, Methoden und Sozialformen. Die Lehrerinnen und Lehrer versuchen, die Lernmotivation zu erhöhen, Konzentrationsmängel zu bekämpfen und etwas über einen gesunden Tagesablauf und die Arbeitsplatzgestaltung in der Schule und zu Hause zu vermitteln. Mittels Befragungen der Schülerinnen und Schüler - unter anderem zu Hausaufgaben und Klassenarbeiten - werden Probleme ermittelt, die der "Lernen lernen"-Kurs dann aufgreift. Dort ist aber auch für Entspannungsübungen Zeit.
Für das Schuljahr 2008/2009 hofft das Brockhaus-Gymnasium, eine Schülerbeteiligung von über 50 Prozent zu erreichen, um den Bonus der Landesförderung zu erhalten. Dank der wachsenden Akzeptanz der Ganztagsangebote stehen die Chancen dafür nicht schlecht.
Kategorien: Service
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