Im Film: Die Ganztagsschulen von Rheinland-Pfalz : Datum: Autor: Autor/in: Ralf Augsburg

"Rheinland-Pfalz macht Schule - ganztags!" lautet der Titel eines Films, mit dem das rheinland-pfälzische Ministerium für Bildung, Frauen und Jugend über die Ganztagsschulen in neuer Form informieren möchte. In 45 Minuten macht der Film die Zuschauer mit allen Facetten dieser Schulform bekannt.

Natalie, Johann, Alexander und Tabea haben zwei Dinge gemeinsam: Die Schülerinnen und Schüler besuchen rheinland-pfälzische Ganztagsschulen, und sie wurden dabei von der Kamera begleitet.

Im Auftrag des rheinland-pfälzischen Bildungsministeriums dokumentierte der Landauer Pädagoge und Filmemacher Dr. Paul Schwarz den Aufbruch in der Bildungslandschaft am Beispiel von sechs Schulen: Die Grundschule Eisenberg, die beiden Regionalen Schulen Sohren-Büchenbeuren im Hunsrück und Wörth am Rhein, die Realschulen in Annweiler/Trifels sowie in Bad Kreuznach und das Europa-Gymnasium Wörth.

"Die Gesellschaft hat sich verändert", stellt Schwarz zu Beginn seines Werks fest, "und eine veränderte Gesellschaft verlangt auch eine veränderte Schule, zum Beispiel die Ganztagsschule." Auch die Lebenswelt der Kinder hat sich verändert: Für viele gibt es wenig Möglichkeiten für eine sinnvollen Freizeitgestaltung, und "sie erleben die Wirklichkeit nur aus zweiter Hand". Dazu kommen viele Einzelkinder, alleinerziehende Mütter und Väter oder berufstätige Eltern. Auch ist die Gesellschaft multikultureller geworden. Im Film wird dies deutlich: Ein Däne, eine Togolesin, Aussiedlerkinder aus Russland, asiatische Mädchen sind in den Klassen vertreten.

Umfassendes Lernen ist gefragt

Die Welt also ist komplizierter geworden, und man kann Kindern und den Anforderungen, denen sie sich gegenüber sehen und denen sie sich einmal in der Arbeitswelt stellen müssen, nicht mehr allein durch in 45 Minuten-Häppchen portioniertes, theoretisches Selektivwissen gerecht werden. Umfassenderes Lernen ist gefragt, das dem einzelnen Kind gerecht wird. Die Schülerinnen und Schüler sollen dabei "nicht nur im kognitiven, sondern auch im musisch-künstlerischen Bereich" gefördert werden, wie die ehemalige Bundeselternratsvorsitzende Renate Hendricks im Film fordert. Anderes Lehren ist gefragt - "nicht die bloße Verlängerung des Vormittagsunterrichts in den Nachmittag", mahnt Johannes Rau an. Wie dieses andere Lehren und Lernen aussehen kann, verdeutlicht Schwarz mit "Rheinland-Pfalz macht Schule - ganztags!" - was übrigens auch das Motto des Ganztagsschulprogramms des Bildungsministeriums ist.

An der Ganztagsgrundschule Eisenberg zum Beispiel beginnt der Schultag mit einer offenen Anfangsphase, in welcher sich Schülerinnen und Schüler wie Tabea selbstständig ihre Lernmaterialen aussuchen und eigenständig in Freiarbeit damit zu arbeiten beginnen. "Mit einem individuellen Lernangebot soll jedes Kind am Punkt seines Könnens abgeholt werden", erklärt Schwarz. Dabei haben die Lehrkräfte Zeit, sich um einzelne Schüler "gezielt zu kümmern". Durch Projekte wie "Zeitung in der Schule" verbindet man an der Grundschule Eisenberg Diktate mit tagesaktuellen Nachrichten und holt so das äußere Geschehen in die Schule hinein. An der Regionalen Schule Sohren-Büchenbeuren nutzt man die offene Anfangsphase für Deutschunterricht für Kinder mit Migrationshintergund wie die russischstämmigen Johann und Alexander oder den Dänen Jesper.

Auch die "Klassenzimmer öffnen sich", altersgemischtes Zusammen- und Voneinanderlernen wird selbstverständlich. Letzteres wird ebenfalls am Europa-Gymnasium Wörth eingesetzt: Stärkere Schüler helfen dort Schwächeren. Doch nicht nur schulintern verfließen die Grenzen: Am Stauffer-Schulzentrum, einem in Rheinland-Pfalz einmaligen Ganztagsschulverbund, werkeln Haupt-, Real- und Sonderschüler zusammen an Projekten. "Für mich ist die Ganztagsschule ein Wunschtraum", erklärt der Leiter der Sonderschule, Karl Meyerer. Eine solche Integration verschiedener Schulformen sei überhaupt nicht selbstverständlich: "Vor 23 Jahren, als man das Schulzentrum hier konzipiert hat, wollte man noch eine Mauer zwischen Haupt- und Sonderschule bauen, weil man meinte, die Schüler würden sich nicht vertragen. Wir haben das Gegenteil bewiesen."

"Keine Blaupause für die Ganztagsschule"

"Spätestens nach PISA ist die unterrichtliche Innovation ins Zentrum der Schulentwicklung gerückt", stellt Schwarz fest. Methodenvielfalt kennzeichnet den Englischunterricht in der 6. Klasse der Realschule Annweiler; hier wechseln Einzel-, Partner- und Gruppenarbeit einander ab, wobei auch hier das eigenverantwortliche Arbeiten gefördert werden soll. Die Ganztagsschule als "Abschied vom verordneten Gleichschritt". Bildungsministerin Doris Ahnen erhofft sich von diesem Methodenwechsel auch Zeit zum Üben und Anwenden, "einem unserer großen Defizite". Die Ministerin besucht im Film diese 6. Klasse und überzeugt sich selbst von dem veränderten Unterricht. Ein Mädchen hat dabei die Lacher auf ihrer Seite: "Mir ist fast der Unterkiefer rausgefallen, als ich gesehen habe, wie viele AGs es gibt."

Manche Arbeitsgemeinschaft klingt auch vielversprechend, so beispielsweise eine Blechbläserklasse an der Grundschule Eisenberg, die mit dem regulären Musikunterricht verknüpft wird. Weniger traditionell geht es an der Regionalen Schule Sohren-Büchenbeuren zu, wo man auf das Lernen mit Neuen Medien wert legt. Mit Mitteln aus dem Investitionsprogramm "Zukunft Bildung und Betreuung" des Bundes sind hier Computer angeschafft worden.

Vor den Arbeitsgemeinschaften findet das Mittagessen in Ganztagsschulen statt. Hierbei zeigt der Film die verschiedenen Möglichkeiten, die den Schulen offen stehen, um die Schülerschaft zu verköstigen. "Es gibt keine Blaupause für die Ganztagsschule", erläutert Dr. Dieter Wunder, Ganztagsschulberater des Ministeriums, "sondern jedes Kollegium muss sich überlegen, wie gestalten wir die Schule." Die Grundschule Eisenberg verfügt beispielsweise über eine eigene Küche, wo Köchinnen und Eltern sich gemeinsam für ein frisches, gesundes Essen engagieren: "Hier wird auch die Chance gesehen, wieder mehr über gesunde Ernährung zu reden", kommentiert Schwarz. Die Realschule Annweiler wird von einer kleinen Catering-Firma beliefert, während die Regionale Schule Wörth ihre Mahlzeiten von der Großküche von Daimler-Chrysler erhält.

Kommunikation erleben und pflegen

Nicht nur ein besserer, vielfältigerer Unterricht, sondern auch die gesellschaftlichen Veränderungen sprechen für die Ganztagsschule. Tabeas Mutter Sylvia Luttenberger zum Beispiel ist als Krankenschwester dringend auf die ganztägige Betreuung ihrer Tochter angewiesen: "Mein Kind fühlt sich wohl in der Schule, ich muss mir keine Sorgen machen, und dadurch ist der ganze Tagesablauf harmonischer."

Nach dem Mittagessen warten Spiel- und Freizeitangebote bis 14 Uhr auf die Kinder - in einer heutzutage zum großen Teil anregungsarmen, verbauten und verkehrsreichen Umgebung ergibt sich in den Schulen die Möglichkeit, bei pädagogischer Begleitung mit Spielkameraden zusammenzusein und Interaktion und Kommunikation zu erleben und zu pflegen. Auch gegenseitiges Vorlesen in der Leseförderung an der Realschule Annweiler gehört beispielsweise dazu.

"Man kriegt ein wesentlich engeres Verhältnis zu seinen Schülern, weil man auch den ganzen Tag Ansprechpartner für die Kinder ist", weiß Sonja Schalck, Lehrerin an der Regionalen Schule Wörth, zu berichten. Durch die Hausaufgabenbetreuung lernen dabei auch die Lehrerinnen und Lehrer, "Aufgabenstellung und Pensum zu überdenken". Statt dass die Hausaufgaben nicht oder unzureichend gemacht werden oder in den Elternhäusern für Streit sorgen, können die Schüler hier ebenfalls individuell angeleitet werden. "Für meinen Sohn hat sich das sehr positiv ausgewirkt", erzählt Sylvia Stöffler. "Er motiviert sich sehr stark, so dass es auch kein Diskussionspunkt war, ob er noch ein weiteres Jahr in den offenen Ganztag will."

Lernen mit allen Sinnen

Für Bundesbildungsministerin Edelgard Bulmahn geht es darum, "neue Bildungsmöglichkeiten und -chancen zu eröffnen. Wie das umzusetzen ist, kann man am besten ganz konkret vor Ort sehen." In der Ganztagsgrundschule Eisenberg werden Kinder wie Tabea zum Beispiel mit ihren musikalischen Fähigkeiten gefördert. "Mein Kind hat in ganz kurzer Zeit ihre Persönlichkeit entwickeln dürfen", lobt Tabeas Mutter.

Die Persönlichkeitsbildung ist ein positiver Niederschlag des breiten AG-Angebots am Nachmittag, das den Neigungen und Interessen aller Schülerinnen und Schüler entgegenkommt. Die Kompetenzen kommen dabei von außen durch Verbände und Vereine in die Schulen hinein. Schwarz zeigt das in seinem Film auch am Beispiel einer Wald-AG, die ein Förster leitet. Hinaus geht es aus der Schule in die Wirklichkeit, wo die Schüler "mit allen Sinnen" die Natur kennen und ihren Wert schätzen lernen. In einer Steinmetzwerkstatt hauen die Kinder "mit Hingabe und Konzentration" Vogeltränken, Igel oder Käfer.

Es geht um mehr als reine Betreuung. "Die Eltern wünschen sich, dass Bildung vermittelt wird", erläutert Ganztagsschulkoordinator Klaus Strempe. "Schülerinnen und Schüler sollen in einer Ganztagsschule Erfahrungen machen, die sie in einer Halbtagsschule nicht machen können", erhofft sich Dieter Wunder. Und es geht um Zukunftschancen: An der Regionalen Schule Sohren-Büchenbeuren steht die Praktische Berufsausbildung im Mittelpunkt vieler Arbeitsgemeinschaften. Kooperationspartner wie die Handwerkskammer ermöglichen dabei den Jugendlichen auch ein Hereinschnuppern in Berufe.

"Rheinland-Pfalz macht Schule - ganztags!" zeigt die vielfältigen Facetten, die Ganztagsschulen an alternativen Unterrichtsformen und unterschiedlichen Arbeitsgemeinschaften von der Zirkusartistik über den Benimmunterricht bis zur Sprachförderung durch Muttersprachler bieten. "Eine Ganztagsschule fördert nicht per se besser als eine Halbtagsschule. Aber sie bietet mehr Zeit und Raum für eine Förderung mit einer professionellen Begleitung", fasst Paul Schwarz zusammen.

Der Film (45 min) kann über das Landesmedienzentrum Rheinland-Pfalz bezogen werden: Hofstr. 257
56077 Koblenz, Tel. 0261/9702-0


 

 

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