Ganztag: Bilanzen und Erwartungen der Länder (Teil 3)
Ganztag: Bilanzen und Erwartungen der Länder (Teil 3)
Fast jede zweite Schule in Deutschland bietet inzwischen Ganztagsangebote an. Und fast täglich werden es mehr. In den Planungen der 16 Bundesländer ist die Weiterentwicklung fest verankert. In einer vierteiligen Serie von www.ganztagsschulen.org ziehen die Länder Bilanz und blicken auf 2012. Heute: Bremen, Niedersachsen, Thüringen und Hamburg.
Renate Jürgens-Pieper (Bild: Behörde der Senatorin für Bildung, Wissenschaft und Gesundheit, Bremen)
Wichtige Schritte, der wachsenden Bedeutung von Ganztagsschulen Rechnung zu tragen, möchte das Land Bremen in den kommenden zwei Jahren gehen. Bislang gab es im Land Bremen nur gebundene und teilgebundene Ganztagsschulen, nun sollen in der Stadtgemeinde Bremen offene Ganztagsschulen hinzukommen. Die Senatorin für Bildung und Wissenschaft Renate Jürgens-Pieper (SPD) ist überzeugt: "Die Rahmenbedingungen für Ganztagsschulen werden den Bedürfnissen der Eltern und Kinder angepasst. So wird es gelingen, ganztägiges Lernen flächendeckend in allen Stadtteilen in Bremen anbieten zu können."
In den kommenden zwei Jahren sollen in Bremen deshalb 20 offene Ganztagsgrundschulen aufgebaut werden. Diese sollen mit Lehrerstunden ausgestattet werden, so dass am Nachmittag mehr Lernzeit zur Verfügung steht. Das Angebot soll an fünf Tagen bis 16 Uhr gelten, einschließlich eines warmen Mittagessens. Diesem Konzept muss die Deputation für Bildung allerdings erst noch in ihrer Ausschusssitzung im Januar zustimmen.
"Damit hätte in der Stadtgemeinde Bremen dann die Hälfte aller Grundschulen ein ganztägiges Angebot", blickt Renate Jürgens-Pieper optimistisch in die Zukunft. Daneben sollen innerhalb der laufenden Legislaturperiode fünf weitere gebundene bzw. teilgebundene Ganztagsschulen in Bremen und Bremerhaven entwickelt werden. Die bestehenden Ganztagsschulen sollen zudem besser mit Lehrerstunden ausgestattet werden. Der Senat wird im kommenden Doppelhaushalt zusätzliche Schwerpunktmittel in einem Sondertopf "Ganztägiges Lernen" zur Verfügung stellen.
Die Senatorin begründet das Engagement: "Immer mehr Eltern wünschen sich für ihre Kinder Lern- und Betreuungsangebote, die bis in den Nachmittag reichen. Ganztagsschulen verbessern die Vereinbarkeit von Familie und Beruf und - das ist ebenso wichtig - sie bieten all jenen Kindern bessere Bildungschancen, die in sozialer Benachteiligung aufwachsen müssen." Durch zusätzliche Lernzeit und einen rhythmisierten Unterricht machten Ganztagsschulen Förderangebote für Schülerinnen und Schüler, die ihre mathematischen und sprachlichen Kompetenzen noch stärken müssten, sie böten aber auch Förderung für besondere Begabungen an.
Dr. Bernd Althusmann (Bild: Niedersächsisches Kultusministerium)
Eine sehr herausgehobene Rolle wird die Entwicklung der Ganztagsschule 2012 in Niedersachsen spielen. Das kündigt Kultusminister Bernd Althusmann (CDU) an. "Der weitere Ausbau der Ganztagsangebote an den niedersächsischen Schulen ist ein Schwerpunkt unserer Bildungspolitik", versichert er. Zum Schuljahresbeginn 2011/12 seien weitere 188 Genehmigungen - die neuen Oberschulen noch nicht mitgerechnet - ausgesprochen worden. Damit gebe es in Niedersachsen mehr als 1.300 Ganztagsschulen, mehr als jede dritte allgemein bildende Schule sei Ganztagsschule. Insgesamt habe sich die Zahl der Ganztagsschulen seit dem Regierungswechsel 2003 verachtfacht.
Im Moment böten die meisten Schulen auf Basis des niedersächsischen Schulgesetzes die so genannte offene Ganztagsschule an. Die neuen Oberschulen seien allerdings auch als teilgebundene Ganztagsschulen konzipiert. Althusmann: "Obwohl Schulträger und Schulen bei Antragstellung wissen, dass Personalressourcen nicht automatisch zugeteilt werden können, verfügen alle niedersächsischen Ganztagsschulen über eine Ausstattung mit zusätzlichen Lehrerstunden (Voll- oder Grundausstattung), die sie ganz oder teilweise kapitalisieren können." Nach Auskunft des Ministers wendet das Land für Ganztagsschulen mehr als 86 Millionen Euro auf, dazu kämen knapp zehn Millionen Euro für die ca. 200 Sozialpädagogen an Ganztagsschulen. "Es bleibt unser Ziel, alle bestehenden Ganztagsschulen innerhalb der Möglichkeiten des Haushalts weiter mit Lehrerstunden auszustatten", verspricht Althusmann.
In Niedersachsen ist 2012 nach Aussagen des Kultusministers wieder mit ca. 200 Anträgen für neue Ganztagsschulen zu rechnen. Auffällig sei dabei der stark zunehmende Anteil von Ganztagsgrundschulen. Diesen Ausbau habe das Land in den letzten Jahren vorangetrieben. Aktuell liege die Zahl der Ganztagsgrundschulen bei mehr als 500.
Christoph Matschie (Bild: Thüringer Ministerium für Bildung, Wissenschaft und Kultur)
Der Länderreport frühkindliche Bildungssysteme 2011 der Bertelsmann-Stiftung sieht Thüringen bei der Ganztagsbetreuung der Grundschüler in der Spitzengruppe. Im Jahr 2010 wurden danach 78 Prozent der Grundschüler ganztägig betreut. Darauf verweist Thüringens Bildungsminister Christoph Matschie (SPD). Nach seinen Berechnungen sind es im Bereich der staatlichen Grundschulen sogar 84 Prozent. Der Anteil liege deutlich über dem Durchschnittswert der westdeutschen Bundesländer (21,4 Prozent) und der ostdeutschen Länder (75 Prozent). "Durch die in Thüringen gepflegte Einheit von Schule und Hort sichern wir eine Ganztagsbetreuung auf hohem Niveau, die sich positiv auf die schulischen Leistungen der Schüler auswirkt", so der Minister.
"Wir wollen uns aber darauf nicht ausruhen, sondern die Ganztagsangebote weiter ausbauen", erklärt Matschie. Nach seinen Worten sind vielfältige Ganztagsangebote ein unverzichtbarer Beitrag für mehr Bildungsgerechtigkeit und Chancengleichheit. "Soziale Herkunft darf nicht über die Zukunft entscheiden. Ich will, dass jedes Kind die Möglichkeit hat, das Beste aus sich zu machen. Niemand darf zurückgelassen werden. Jede Schülerin und jeder Schüler muss seine Talente und Fähigkeiten entwickeln können", so der Minister.
Nach seinen Worten verbessert eine Betreuung über den Unterricht hinaus die Lernsituation für die Schülerinnen und Schüler maßgeblich. "Ganztagsangebote machen die Schule nicht nur zum Lern-, sondern auch zum Lebensort. Das zeigt sich auch in der hohen Nachfrage an Hortplätzen", erklärt Matschie. Einen wichtigen Schritt zur Verbesserung der Ganztagsbetreuung habe Thüringen mit dem neuen Schulgesetz gemacht. Dabei wurden ganztägige Angebote zur Bildung, Erziehung und Betreuung über die Grundschulzeit hinaus auf die Klassenstufen 5 und 6 erweitert. Für Matschie erhalten die Schüler damit die Chance, ihren Begabungen und Interessen noch intensiver nachzugehen.
Ties Rabe (Bild: Michael Zapf)
"Die Ganztagsschule soll in Hamburg zur Standardschulform werden, deren Teilnahme aber freiwillig bleibt", kündigt Ties Rabe (SPD), der Senator für Schule und Berufsbildung der Freien und Hansestadt, an. Ganztagsschulen seien die richtige Antwort auf mehrere Herausforderungen der Schul- und Sozialpolitik. Sie böten mehr Zeit zum Lernen, verbesserten die Bildungschancen und trügen dazu bei, den Schulalltag entspannter angehen zu können. Außerdem suchten viele Eltern dringend eine Betreuung für ihre Schulkinder.
Ganztagsschulen können in Hamburg auf zwei unterschiedlichen Wegen organisiert werden:
Zum einen können Schulen in eigener Regie ein Ganztagsangebot ausarbeiten. Zum anderen kann die Ganztagsschule in Zusammenarbeit mit einem Träger der Jugendhilfe angeboten werden.
Der Ausbau der Ganztagsschulen ist nach Aussage des Senators ein zentrales Vorhaben des neuen Hamburger Senats. Bis zum Ende der Legislaturperiode in 2015 solle in Hamburg das stärkste Ausbauprogramm der letzten Jahrzehnte umgesetzt werden. Schon jetzt seien die Gymnasien zu 100 Prozent Ganztagsschulen. Alle Stadtteilschulen (Hamburgs zweite weiterführende Schulform) sollten Ganztagsschulen werden, zurzeit seien es bereits 60 Prozent. Und auch bei den Grundschulen solle der Anteil der Ganztagsschulen kräftig erhöht werden - von derzeit 30 auf 80 Prozent.
Rabe zieht eine positive Bilanz: "Der Ausbau der Ganztagsschulen ist in den vergangenen Jahrzehnten auf hohem Niveau erfolgt. Hamburg gibt sehr viel Geld für diesen Ausbau aus. Jetzt gilt es, auf diesem Niveau einen erheblichen weiteren Ausbau voranzutreiben mit dem Ziel, das fast alle Hamburger allgemeine Schulen Ganztagsangebote erhalten."
Kategorien: Service
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