Edelgard Bulmahn on Tour in NRW : Datum: Autor: Autor/in: Peer Zickgraf

Am 5. und 6. Februar ist Bundesministerin für Bildung und Forschung Edelgard Bulmahn auf Ganztagschultour in Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz. In NRW erlebt sie, wie zwei Gemeinschaftsgrundschulen das Ganztagssangebot kreativ gestalten: mit Bauchtanz, Erdbeereis in der AG und verbindlicher Hausaufgabenbetreuung.

Der Weg schlängelt sich durch enge Straßen, durch alte, anmutige Dörfer und führt zum Ende der Fahrt steil den Berg hinauf. Schmucke Vorgärten und Einfamilienhäuser umgeben das Schulgelände: Die erste Station der Ganztagsschultour NRW von Edelgard Bulmahn, Bundesministerin für Bildung und Forschung ist erreicht. Es ist die Gemeinschaftsgrundschule Om Berg in Bonn. "Wann kommt die Maus?" - ist wohl eine der häufigsten Fragen der Kinder. Als der orange-braune Superstar vom WDR endlich eintrifft, wogt eine Welle der Freude durch das Spalier der Kinder. 

Wenn der smarte Fernseh-Nager einen Ausflug macht von der "Sendung mit der Maus", um eine Ganztagsschule unweit des Siebengebirges zu besuchen, dann geht es um die Kinder, um Schule und um einen wichtigen Anlass. Bundesministerin Edelgard Bulmahn möchte sich einen Eindruck darüber verschaffen, wie die Ganztagsgrundschulen in Nordrhein-Westfalen vorankommen. Gekommen sind an diesem Donnerstag, dem 5. Februar, außerdem Ute Schäfer, nordrhein-westfälische Ministerin für Schule, Kinder und Jugend, und Bärbel Dieckmann, Oberbürgermeisterin der Stadt Bonn. Sie besuchen eine Schule im Aufbruch.

Kinderland am Siebengebirge

Schulleiterin Hedwig Grobelny mit der Maus

Christina, Gianni und Annika aus der vierten Klasse haben einen Job, um den sie jedes Kind der Schule sicherlich beneidet: Sie begleiten die Ministerinnen und die Maus bei Ihrem Rundgang Schule. Die Gemeinschaftsgrundschule ist eine pulsierende Einrichtung, ein wahres Kinderland, mit hautnahen Kontakten zwischen den Schulkindern, Lehrern und Eltern. "Wir sind eine sehr fröhliche, lockere Schule, in der auch gerne gefeiert wird", sagt Schulleiterin Hedwig Grobelny. In sieben Stationen machen sich die Ministerinnen, die Oberbürgermeisterin und die Pressevertreter ihr eigenes Bild von einer Schule, die in besonderem Maße von dem ehrenamtlichen Engagement der Eltern lebt.

Die Grundschule Om Berg ist seit dem 15. September 2003 Offene Ganztagsschule. Die Schule gehört zu den ersten bundesweit, die mit den Mitteln des Investitionsprogramms ausgebaut wurden. Das Landesprogramm Offene Ganztagsgrundschule in Nordrhein-Westfalen steckt den Rahmen für den Ausbau von Ganztagsschulen und den Einsatz der Bundesmittel ab. Von 267 Schülerinnen und Schülern nehmen 81 das Ganztagsangebot wahr. Bei 100 Kindern im kommenden Jahr ist allerdings erst einmal "Stopp", sagt Schulleiterin Grobelny.

Für die Kinder ein Privileg - die Ganztagsgrundschule

Für jedes Kind an der Schule gibt es einen individuellen Förderplan. Die Lehrer oder die Nachmittagskräfte halten darin Besonderheiten zu jedem Kind fest. Das ermöglicht es, dass der Vormittagsunterricht mit den Nachmittagsangeboten und der Hausaufgabenbetreuung besser verzahnt wird. Vormittags unterrichten zwölf Lehrkräfte, drei pädagogische Mitarbeiterinnen und neun außerschulische Kräfte. Nachmittags tragen 20 Fachkräfte und Helfer, vorwiegend Eltern, das Ganztagsangebot. Sie sind mehr als nur ein Spielbein: "Eltern und Mütter haben ihr Engagement schon fast zum Hauptberuf gemacht", sagt Oberbürgermeisterin Bärbel Dieckmann und ergänzt: "Von den Kindern wird es als ein Privileg empfunden, nachmittags am Ganztagsangebot teilzunehmen. Deshalb sind wir dankbar für die finanzielle Unterstützung der Bundesregierung." Diese beläuft sich für die Grundschule Om Berg auf rund 240 000 Euro. In Bonn konnten im Schuljahr 2003/2004 bereits fünf Grundschulen im Rahmen des Landesprogramms in Ganztagsschulen umgewandelt werden. 2003 und 2004 erhält die Stadt Bonn insgesamt 1,26 Mio. Euro.

Bulmahn, Schäfer und Dieckmann mit Kindern aus der AG Flöten

Der Rundgang durch den kleinen Planeten unweit des Siebengebirges beginnt in der Mensa. Dieser Raum mit Blick auf den Schulgarten ist aus Bundesmitteln neu errichtet worden. Ein Erweiterungsbau mit zwei weiteren Räumen ist geplant. Die Kinder können in drei Gruppen am Nachmittag zum Essen kommen, das die benachbarte Fraunhofer Gesellschaft zubereitet.

Eine weitere Station ist der Computerraum, ausgestattet mit vier Computern. Hier sitzt Joshua, neun Jahre von der 3c und schreibt vor dem PC ein kleines Gedicht ab: "Ich weiß einen Stern gar wundersam, darauf man leben und weinen kann." Damit dem "Stern" am Nachmittag das Licht nicht ausgeht, engagiert sich Margrit Alter, Mutter zweier Kinder, jeweils Freitags an der Schule. Die Kinder schreiben bei ihr Artikel für die Schülerzeitung, machen Layout oder lernen mit einem E-Learning Programm Vokabeln. Den Kindern macht die Arbeit großen Spaß: "Sie sind immer im Stoff voraus und schneller, als man ihnen die Materie erklären kann." Margrit Alter sagt, sie liebe diese Schule, sie finde die Lehrer wunderbar, doch will die Arbeit der Eltern an der Schule auch finanziert werden: "In jeder Klasse gibt es engagierte Eltern. Wir feiern viele Feste, die die Kasse des Fördervereins aufbessern."

Bauchtanz für die Mädchen

Ganztagsschule kann unter die Haut gehen, das zeigt die nächste Station. Zu türkisch-orientalischer Musik tanzen neun geschmückte Mädchen, mit glitzernden Stirnbändern und blauen bzw. roten Tüchern um die Hüften den Bauchtanz. Die von der Übungsleiterin choreographierte Darbietung impft die Besucher mit südländischer Lebensfreude.

Eine ganz besondere Bauchtanzstunde für die Kinder




 

In der AG sucht man - zur Freude der Mädchen - vergeblich nach den Jungen. Diese interessieren sich ohnehin mehr für Fußball, Judo oder Turnen. Kooperationen, wie sie gute Ganztagsschulen charakterisieren, gibt es mit den örtlichen Sportvereinen in Bereichen wie Fußball, Psychomotorisches Lernen, Judo, aber auch mit der Landesarbeitsgemeinschaft Musik. Sie sorgen für eine nachhaltige Erweiterung des Nachmittagsangebotes.

Gute Beispiele machen Schule

Während des Rundgangs nimmt sich Edelgard Bulmahn vor allem Zeit: Sie hört geduldig zu und freut sich mit den Kindern über das Gelingen ihrer Schule. Bulmahn, einst selber Lehrerin, setzt sich beharrlich, ruhig und, wenn es sein muss, auch streitbar für das Ganztagsschulprogramm ein. Es ist ihr eine wichtige bildungspolitische Aufgabe.

Nach PISA soll die Bildungsreform dafür sorgen, dass mehr Chancengleichheit herrscht: "Mein Ziel ist es, dass Kinder in unserem Land die besten Bildungschancen bekommen", sagt Bulmahn auf der anschließenden Pressekonferenz an der Gemeinschaftsgrundschule Om Berg. Kinder sollten in einer Schule leben, in der sie wirklich lernen und "Zeit dafür haben, dass sie auch Fehler machen dürfen", so die Ministerin. Die Kinder seien der Mittelpunkt der Bemühungen, und die Schulen vor Ort wüssten am besten, wie sie die Schule gestalteten.

Die Gemeinschaftsgrundschule Om Berg habe die Hilfe des Bundes engagiert aufgegriffen, und sie habe sich dafür eingesetzt, dass es auch klappt. Bulmahn weiter: "Ich hoffe, dass solche Beispiele Schule machen." In diesem Zusammenhang dankte die Ministerin dem Kollegium der Schule, den Eltern, Bärbel Dieckmann und Ute Schäfer für das Engagement der Landesregierung.

Nordrhein-Westfalen liegt vorn

"Wir wollen die Ganztagsschule in die Fläche tragen und jeder Besuch macht mich fröhlicher", sagt  Schulministerin Ute Schäfer.

Nordrhein-Westfalens Ganztagsschulangebot in Zahlen: Aktuell gibt es in Nordrhein-Westfalen 12.000 Plätze an den Ganztagsgrundschulen. Bis 2007 will die Landesregierung 200.000 Plätze einrichten. Ministerin Schäfer dankte Bundesministerin Edelgard Bulmahn ausdrücklich für die finanzielle Unterstützung. Das Land bekäme jährlich 160 Mio. Euro und bis 2007 insgesamt 914 Mio. Euro aus dem Bundesinvestitionsprogramm "Zukunft Bildung und Betreuung" für den Ausbau der Räumlichkeiten. Schäfer erwähnt ausdrücklich das Engagement der Schulleitung: "Frau Grobelny, Sie sind eine Pionierin. Sie haben einen runden Tisch gegründet und gefragt, was können wir mit den zur Verfügung stehenden Mitteln machen". 

Eltern und Kinder stimmen in der Stadt Bonn mit den Füßen ab. Es gibt Oberbürgermeisterin Dieckmann zufolge einen Run auf die Ganztagsschulplätze und einen deutlichen "Nachfrageüberhang". Die Eltern erinnerten die Oberbürgermeisterin daran: "Wir stoßen an die Grenzen unserer Kapazität." Im Gegenzug stellte die Oberbürgermeisterin in Aussicht, dass die Stadt die organisatorischen Aufgaben für die Schule übernehme.

Ganztagsgrundschulen in Rommerskirchen ziehen an einem Strang

Nächste Etappe der Ganztagsschultour von Bundesministerin Edelgard Bulmahn ist die Gemeinschaftsgrundschule Frixheim in Rommerskirchen.

Empfang in Rommerskirchen

Eine Besonderheit in Rommerskirchen vorweg: Alle drei Grundschulen der Gemeinde sind im Rahmen des Landesprogramms Offene Ganztagsgrundschule zum Schuljahr 2003/ 2004 in Ganztagsschulen umgewandelt worden. Das Gesamtkonzept für Rommerskirchen beugt einer Auszehrung von Ressourcen durch unnötige Reibungen zwischen den Schulen vor. Eine weitere Besonderheit: Der Bürgermeister der Gemeinde Albert Glöckner hat den Stein für den Ausbau der Ganztagsschulen ins Rollen gebracht.

Von 592 Kindern in der Gemeinde nehmen 146 an den Ganztagsangeboten teil, und von 227 Schülerinnen und Schülern der Grundschule Frixheim sind 64 Kinder in der Offenen Ganztagsschule.

"Heute hat eine neue Zeit begonnen"

Der Auftakt des Besuches findet in der Aula statt: "Herzlich willkommen, ihr lieben Leute. Sicher habt ihr Fragen, sicher wollt ihr wissen, wie es an unserer Schule ist" singen Schülerinnen und Schüler der Klasse 4c, alle in weißem T-Shirt und Schullogo, zur Begrüßung von Edelgard Bulmahn.

Lachen und heiterer Applaus zwischen den Stuhlreihen. Nun übernimmt Bürgermeister Glöckner den Stab: "Als Bundesministerin hat Edelgard Bulmahn das größte Schulprogramm gestartet, das es je in Deutschland gegeben hat. Mit vier Milliarden Euro hat sie das Ganztagsschulprogramm auf den Weg gebracht. Heute ist sie hier, um zu sehen und zu hören, wie Rommerskirchen seine Ganztagsschulen organisiert hat und ob es Schülern, Lehrer und Eltern gefällt." Früher, so der Bürgermeister weiter, habe Peter Alexanders Film "Hurra, die Schule brennt", das Lebensgefühl mehrerer Schülergenerationen ausgedrückt. "Heute hat eine neue Zeit begonnen." Die Offenen Ganztagsschulen seien ein Glanzstück der Gemeinde Rommerskirchen geworden. "Selbst die Bühne, auf der ich stehe, wurde aus Bundesmitteln gefördert", erinnerte Glöckner die Zuhörer.

Wie organisiert die Gemeinschaftsgrundschule Frixheim ihren Ganztag? Das Personal der Grundschule Frixheim, die seit dem 15. September 2003 Offene Ganztagsschule ist, besteht aus elf Lehrkräften, einer pädagogischen Fachkraft, Betreuungspersonal, Ehrenamtlichen, Übungsleitern etc. Die zusätzlichen Kräfte für das Nachmittagsangebot arbeiten überwiegend nicht ehrenamtlich, sondern gegen Bezahlung. Das ist wichtig, weil die Arbeit der Lehrkräfte laut Schulleiter Groneck "erheblich zugenommen hat".

Die Ganztagsschulkinder besuchen eine Stammgruppe mit ca. 15 Teilnehmern und einer festen Bezugsperson. Von hier aus können sie zwischen verschiedenen Angeboten auswählen. Es gibt AGs für Sport, Musik, Theater, Kunst und Naturwissenschaften, beispielsweise für Chemie.

Das brennende Gummibärchen

Die Chemie AG feiert heute ihren Abschluss. Udo Flegel, Chemiker von der Universität Köln, und Annette Vierlin sowie die Studentin Hannah Lay erhitzen ein Reagenzglas. Der Versuchsleiter und seine zwei Assistentinnen tragen dicke, schwarz umrandete Schutzbrillen. Die Schülerinnen und Schüler der AG sind aufs Äußerste konzentriert: Schmelzen von Salz - der Versuch gelingt. Flegel will eins drauf setzen: "Hat jemand von Euch schon mal versucht, ein Gummibärchen zu verbrennen?" fragt der Chemiker. "Ja, auf dem Grill", antwortet ein Schüler. Lautes Gelächter. Flegel lässt ein Gummibärchen ins Reagenzglas fallen und erhitzt das Reagenzglas. Kurz darauf brennt es - länger, als man erwartet hätte - in den fantastischsten Farben ab. "Seht ihr" sagt Flegel," wie viel Energie in so wenig Materie steckt?" Die Kinder und die Besucher sind restlos begeistert. Zum Finale gibt es Erdbeereis aus flüssigem Stickstoff für die Kinder. "Die Kinder in unserer AG sind hoch motiviert und würden am liebsten gar nicht mehr aufhören", erklärt Annette Vierlin den Zuspruch für ihre AG. Von 60 Anmeldungen der Klasse 3 bis 4 können aber maximal 16 Kinder teilnehmen.

Spannende Experimente in der Chemie-AG mit brennenden Gummibärchen



Die Hausaufgabenbetreuung durch Lehrkräfte ist an der Grundschule Frixheim - sehr zur Freude der Eltern - Pflicht: "Die Kinder sind optimal auf den Unterricht vorbereitet", sagt eine Mutter. Sie ergänzt: "Ich bin froh, dass wir nach Rommerskirchen gezogen sind." Schulleiter Groneck fügt hinzu: "Gerade Kinder, die schwächeln, leben an der Ganztagsgrundschule geradezu auf." Ganztagsschulangebote entwickeln sich zunehmend zum Standortvorteil für die Kommunen.

Die Gemeinde Rommerskirchen hat dies erkannt und das Grundschulangebot konsequent auf Ganztagsbetreuung umgestellt. Ihr stehen in den Jahren 2003 und 2004 aus den IZBB insgesamt 0,6 Mio. Euro zu. Davon bekommt die Grundschule Frixheim rund 290.000 Euro. Mit dem Geld wurde eine Küche eingerichtet und die Ersteinrichtung beschafft. Weitere Umbaumaßnahmen und die Gestaltung des Außengeländes sind geplant.

Eine Vision

Unter dem Eindruck der Aufbruchsstimmung an den Ganztagsgrundschulen Om Berg und Frixheim entwickelt Bildungsministerin Edelgard Bulmahn eine Vision: "Ich bin persönlich davon überzeugt, dass wir in 20 bis 30 Jahren das Ganztagsschulsystem durchgesetzt haben." 

PISA habe gezeigt, dass wir mit unserem System nicht so erfolgreich sind wie andere Länder. Bulmahn ergänzt: "Wir haben im frühkindlichen Bereich und im Primarbereich zu wenig investiert. Das unterscheidet uns von den anderen Ländern." In zehn bis 15 Jahren seien die Ganztagsschulen aber flächendeckend verbreitet.

Für Bürgermeister Albert Glöckner ist die Richtung ohnehin klar: "Die Kinder werden mit den Füßen abstimmen."

Hier lesen Sie den zweiten Teil über die Ganztagsschultour der Ministerin durch Rheinland Pfalz

 

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