Ganztags im Technikmuseum: kids.digilab.berlin : Datum: Autor: Autor/in: Stephan Lüke

Forschende Kinder, staunende Augen: Seit einem Jahr lernen Kinder aus Berliner Kitas und Grundschulen im Deutschen Technikmuseum, Roboter zu steuern und zu programmieren.

Online-Redaktion: Wie passen ein Technikmuseum mit vielen, teilweise über 100 Jahre alten Exponaten und ein Angebot zur digitalen Welt zusammen?

Dr. Antonia Oelke: Das Deutsche Technikmuseum befasst sich mit dem Wandel der Technik und deren Bedeutung für die kulturelle Entwicklung. Zu unserem Profil zählt die Interaktion zwischen Mensch und Technik. Wie war die Technik von gestern, wie von heute, wie von morgen? Wir sind ein lebendiges Haus zum Mitmachen, eines, das Verständnis für die Technik und den verantwortungsvollen Umgang damit wecken möchte. Und das eben auch mit der Technik von heute und morgen.

Online-Redaktion: Nun richtet sich mit dem kids.digilab.berlin Ihr Augenmerk seit guten einem Jahr noch stärker als bisher auf die Zielgruppen der Kinder in Kita und Grundschule…

Oelke: Der Grundgedanke des Projektes ist es, digitale Bildung entlang der gesamten Bildungskette zu denken. Kinder kommen schon in den ersten Lebensjahren in Berührung mit digitalen Medien und Technologien, und deswegen setzen wir bereits hier an. Wir wollen bereits die Jüngsten beim Erwerb von digitalen Kompetenzen unterstützen, das sind eben Kinder im Kita- und Grundschulalter, daher sind sie eine zentrale Zielgruppe des Deutschen Technikmuseums. Wir bieten aber natürlich auch Fortbildungen für Fach- und Lehrkräfte an, damit digitale Bildung ganzheitlich und nachhaltig verankert werden kann. „Menschen für die Zukunft zu bilden, ist seit jeher die Aufgabe von Technikmuseen“, betonte unser Direktor Joachim Breuninger bei der Eröffnung des kids.digilab.berlin.

Online-Redaktion: Was wollen Sie mit dem Projekt konkret erreichen?

Mit einfachen Pfeil-Befehlen gelernt: Was ist eigentlich ein Programm?
Mit einfachen Pfeil-Befehlen gelernt: Was ist eigentlich ein Programm? © SDTB / M. Scherf

Oelke: Damit wollen wir Kindern vermitteln, dass wir Technik nicht nur passiv nutzen, sondern dass wir sie bewegen und gestalten können. Wir wollen Verständnis dafür wecken, was mit Technik passiert, wie sie funktioniert, wie man sie nutzen kann und dass sie oft auch einfach ein Hilfsmittel ist. Den kritischen Umgang mit neuer Technik wollen wir dabei ebenfalls ins Bewusstsein rufen. Das alles geschieht spielerisch und forschend. Das Gefühl, etwas selbst steuern zu können, ist für die Jüngeren motivierend und stärkt ihr Selbstwertgefühl und ihre Selbstwirksamkeit. Dabei nutzen wir die Begeisterung für historische Objekte, die unser Haus ausstrahlt, und die besondere Atmosphäre, die hier herrscht, um den Bogen zu den neuen Medien zu spannen. Das heißt, wir möchten gar nicht das Rad neu erfinden. Wir verstehen uns als Ergänzung zu Bestehendem, wollen uns mit anderen Akteuren vernetzen und unser Angebot Stück für Stück weiterentwickeln. Es ist nicht starr.

Online-Redaktion: Wie werden die Kinder ans Thema herangeführt?

Oelke: Bisher konnten sie beispielsweise die im Museum ausgestellten Spielzeug-Roboter nur bewundern. Diese nehmen wir zum Ausgangspunkt und sprechen über die Fähigkeiten und den Nutzen von Robotern. Anschließend können die Kinder selbst Lernroboter in die Hand nehmen, steuern und ihr Verhalten programmieren. So erkennen sie, was „dahinter“ geschieht und dass Technik ausführt, was wir ihr vorgeben. Dazu bieten wir zahlreiche Workshops zu unterschiedlichsten Themenkomplexen an, die in Kleingruppen durchgeführt werden. Das erleichtert das interaktive Agieren erheblich.

Online-Redaktion: Haben Sie ein Beispiel?

Oelke: Lassen Sie mich zwei nennen. Da ist zum einen das „Programmieren mit dem Ozobot“. In diesem Workshop geht es um unsere Vorstellung von einer Stadt im Laufe der Zeit, beispielsweise darum, wie sich unsere Vorstellung auf Verkehr und unser Leben auswirkt. Eingebettet in das Thema „Stadt der Zukunft“ setzen sich die Kinder mit dem kleinen Roboter Ozobot auseinander, programmieren ihn und lassen ihn durch eine selbst gestaltete Stadt fahren. Der Workshop bietet die Möglichkeit, den Ozobot und seine Funktionen kennenzulernen und ihn dann kreativ und reflektiert einzusetzen. Dabei machen die Kinder verschiedene Erfahrungen mit Sensoren und Signalen. Sie entdecken, wie sie mit einfachen Programmierbefehlen die Roboter gezielt steuern können.

Ein weiterer Workshop beschäftigt sich mit der spannenden Frage, wie Computer „sprechen“. Ausgangspunkt ist hier wieder ein historisches Objekt: eine „Würfelwand“, die aus drehbaren Würfeln ein Bild erzeugt. Die Kinder erfahren so, wie ein Bild bei modernen Computern auf den Bildschirm kommt. Sie entdecken, dass digitalen Bildschirmen eine Art Raster zugrunde liegt und wie sie mittels dieser Raster Bilder gestalten können. Die Kinder entwerfen eigene Pixelbilder, die sie mit Hilfe der einfachen Programmierumgebung MakeCode auf der LED-Anzeige des Mikrocontrollers „Calliope Mini“ erzeugen. Wir dürfen jetzt schon seit einem Jahr miterleben, mit welcher Begeisterung und Faszination die Kinder bei der Sache sind.

Online-Redaktion: Warum wenden Sie sich auch an Lehrerinnen und Lehrer oder Erzieherinnen und Erzieher?

Oelke: Uns ist wichtig, dass digitale Bildung keine Momentaufnahme darstellt, so nach dem Motto: Heute gehen wir mal ins Museum und schauen uns das ganze Digitale einmal an. Wir möchten die Lehrkräfte, Erzieherinnen und Erzieher mitnehmen, ihnen auch Handwerkszeug an die Hand geben, um im Unterricht und – das ist uns besonders wichtig – im Ganztag an der digitalen Bildung weiterzuarbeiten. Unsere Materialsammlung ermöglicht eine kindgerechte Begegnung mit dem Thema. Wir freuen uns, wenn das an Vor- und Nachmittagen genutzt wird und wir die Gruppen nicht nur einmal sehen, sondern Folgebesuche vereinbart werden.

Online-Redaktion: Was bieten die Fortbildungen?

Oelke: In ihnen richten wir uns gezielt an die Lehrerinnen und Lehrer und alle, die im Ganztag tätig sind, wie Erzieherinnen und Erzieher. Auch bei ihnen möchten wir Hemmschwellen abbauen. Niemand muss Sorge haben, dass wir lediglich Praxisanregungen erarbeitet haben und anbieten, die nur mit Technik wie Robotik Spielzeug oder Tablets funktionieren. Es wird auch mit Stift und Papier gearbeitet. Und vieles, was in den Workshops und in den Praxisanregungen vorkommt, findet sich auch im Alltag wieder. Etwa, wenn die Frage geklärt wird, was das Zähneputzen mit einem Algorithmus zu tun hat. Übrigens: Auch Großeltern können sich mit ihren Enkeln zusammen an Wochenenden bei unseren Familienangeboten der digitalen Bildung nähern.

Technik im Museum: Olivetti-Schreibmaschine M20 „La rapidissima“ („Die Rasante“) von 1926
Technik im Museum: Olivetti-Schreibmaschine M20 „La rapidissima“ („Die Rasante“) von 1926 © SDTB / C. Kirchner

Online-Redaktion: Sie schulen und qualifizieren die Erwachsenen, die die Projekte dann anbieten. Wäre es nicht einfacher und schneller, Ihr eigenes Personal in die Einrichtungen zu schicken?

Oelke: Auf den ersten Blick vielleicht. Aber mal abgesehen davon, dass das den personellen Rahmen unseres Projektes sprengen würde, trägt es nach unserer Auffassung zur Nachhaltigkeit bei, wenn diejenigen, die über viele Jahre an einer Ganztagsschule oder Kita arbeiten, selbst zu „Fachleuten“ werden, möglicherweise sogar andere Kolleginnen und Kollegen mit ins Boot holen, sie fürs Thema motivieren und sie intern „schulen“. Dann bleiben auch regelmäßige Technik-Arbeitsgemeinschaften keine Utopie. Wir möchten in erster Linie Impulse setzen.

Online-Redaktion: Und den außerschulischen Lernort Deutsches Technikmuseum stärken?

Oelke: Natürlich freuen wir uns, wenn wir als außerschulischer Lernort, gern auch als fester Begleiter für Bildungseinrichtungen geschätzt werden. Dazu tragen ja auch unsere bisherigen Angebote wesentlich bei. Grundsätzlich kann man sagen, dass die Kinder gerne in eine besondere, spannende und anregende Atmosphäre außerhalb ihres Klassenzimmers eintauchen. Viele blühen dort ganz anders auf und ihre Lehrkräfte nehmen sie auf einmal von einer anderen Seite wahr, entdecken möglicherweise Eigenschaften und Fähigkeiten, die sie im schulischen Alltag gar nicht wahrgenommen haben. Wir sind wie andere außerschulische Lernorte auch eine Art neutraler Raum. Die Kinder werden anders angeleitet. Was im Projekt „kids.digilab.berlin“ sicher ein großer Vorteil ist, sind die kleinen Arbeitsgruppen. Mit 15 Kindern in einer Gruppe ist viel Kommunikation mit jedem einzelnen Kind möglich. Unser Angebot spricht außerdem heterogene Gruppen gut an, es nimmt wirklich alle mit. Auch das ist ein Erfolgsgarant.

Online-Redaktion: Vielen Dank für das Interview!

Zur Person

Dr. Antonia Oelke, Jg. 1984, ist seit 2020 Mitarbeiterin im Programmteam des Projekts kids.digilab.berlin im Deutschen Technikmuseum für die Primarstufe. Nach dem Studium der Physik an der Freien Universität Berlin, das sie mit dem Diplom abschloss, promovierte sie dort anschließend in Geophysik. Im Science Center Spectrum absolvierte sie ein wissenschaftliches Volontariat sowie eine zweijährige praxisorientierte Zusatzausbildung im Museum. Sie gestaltet das kids.digilab.berlin federführend mit und entwickelt Angebote für Grundschulkinder der Klassen 1 bis 6.

kids.digilab.berlin im Deutschen Technikmuseum wird gefördert durch die Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Familie des Landes Berlin. Es bietet Kindern im Alter von drei bis zehn Jahren den Raum, ihre digitale Umwelt zu erleben und zu erforschen – spielerisch und altersgerecht. Workshop- und Fortbildungsangebote richten sich an Berliner Kitas und Grundschulen.

Die Übernahme von Artikeln und Interviews - auch auszugsweise und/oder bei Nennung der Quelle - ist nur nach Zustimmung der Online-Redaktion erlaubt. Wir bitten um folgende Zitierweise: Autor/in: Artikelüberschrift. Datum. In: https://www.ganztagsschulen.org/xxx. Datum des Zugriffs: 00.00.0000