Schule an der Dahme: Ganztagsangebote als Lernorte : Datum: Autor: Autor/in: Ralf Augsburg

Die Schule an der Dahme in Berlin kann mit „tollen Angeboten“ aufwarten, ob auf dem Wasser, an der Kletterwand oder beim „Urban Gardening“. Doch auch Unterrichtsentwicklung und Förderung sind ein starker Schwerpunkt.

Schule an der Dahme
© Schule an der Dahme

Wer die Schule an der Dahme in Berlin-Spindlersfeld besucht, der schaut sich erstmal um: nach der namensgebenden Dahme, dem Fluss, der hier in die Spree mündet und schon von Theodor Fontane in seinen „Wanderungen durch die Mark Brandenburg“ beschrieben wurde. Die Dahme war einst Wiege des Wassersports – 1868 fand hier die erste Binnensegelregatta statt. Schulleiter Tilo Vetter klärt auf: „Die Dahme finden Sie 600 Meter weiter. Früher lag die ehemalige Volksschule direkt an der Dahme. Nach dem Umzug an den heutigen Standort behielt sie den Namen.“

Die Schule an der Dahme, eine Integrierte Sekundarschule mit gymnasialer Oberstufe, ist ihrem Fluss verbunden geblieben. Dank einer Zusammenarbeit mit dem Grünauer Kanuverein 1990 e. V. geht es im Sportunterricht alle 14 Tage auf das Wasser. Im „Produktiven Lernen“ gehören der Bau und die Fahrt mit selbstgebauten Flößen zu den teambildenden Maßnahmen, bei denen es mit viel Spaß auch schon mal richtig nass werden kann.

„Tolle Angebote“...

Garantiert trocken und höchstens schweißnass wird es beim Sportklettern, das Schulsozialarbeiter Alexander Schminke als Ganztags-AG in zwei Schwierigkeitsgraden in einer Halle des Deutschen Alpenvereins anbietet. Im Sportjugendclub „Arena“ an der Wuhlheide können die Schülerinnen und Schüler im Sportunterricht Golfbälle abschlagen und das Putten üben. Der Sportjugendclub ist ein Projekt der Gesellschaft für Sport und Jugendsozialarbeit (GSJ), die als freier Träger der Jugendhilfe eng mit dem Landessportbund und der Sportjugend Berlin zusammenarbeitet und bei der Alexander Schminke und seine Kollegin Franziska Nartschik angestellt sind. Das Trio der Schulsozialarbeit vervollständigt Susanne Heßlau, die vom CJD Berlin-Brandenburg, einem gemeinnützigen, diakonischen Träger, kommt.

Schulleiter Tilo Vetter
Schulleiter Tilo Vetter © Online-Redaktion

Für die außerschulischen Lernorte ist Schulleiter Tilo Vetter dankbar. Nicht zuletzt, weil dank der „starken Entwicklung, die unsere Schule in den letzten drei Jahren durchlaufen hat“, das Schulgebäude „bis unters Dach voll“ ist. Die Einführung der gymnasialen Oberstufe im Verbund mit der Grünauer Gemeinschaftsschule hat die Attraktivität der ISS deutlich erhöht – erstmals hat die Schule mehr Bewerber als Plätze und muss auf ein Losverfahren setzen. Die Schülerschaft ist nun stärker gemischt, und 25 neue Lehrerinnen und Lehrer haben in den letzten Jahren den Altersschnitt des Kollegiums von 52 auf 43 Jahre gesenkt.

„Die gymnasiale Oberstufe ist schon ein Zugpferd“, sagt Tilo Vetter. „Aber in den Gesprächen mit den Jugendlichen und den Eltern kommt auch immer wieder durch, dass sie wegen unseres tollen Angebots kommen.“ Die Schule an der Dahme ist eine offene Ganztagsschule: An vier Wochentagen können die Schülerinnen und Schüler am Nachmittag viele Arbeitsgemeinschaften in sportlichen, musischen und naturwissenschaftlichen Bereichen wählen. In der 7. und 8. Klasse ist die Teilnahme an einer AG verpflichtend.

... und Orte sozialen Handelns

„Diese Angebote machen als Lernorte sozialen Handelns nur Sinn, wenn ihnen Kontinuität und Zuverlässigkeit zugrunde liegt“, begründet das der Schulleiter. Zum Ende jedes Halbjahres geben die AG-Leitungen allen Teilnehmenden eine mündliche und schriftliche Rückmeldung, die auch in das Halbjahreszeugnis eingeht. Schülerinnen und Schüler, die kurz vor der Berufsbildungsreife (nach der 9. Klasse) oder dem Mittleren Schulabschluss (nach der 10. Klasse) stehen, können am Nachmittag außerdem fördernde Zusatzangebote nutzen.

Der 2013 eingeführte Ganztag ist auf außerschulische Partner und ihre Expertise angewiesen, um die rund 23 Angebote – von der Keyboard-AG, Hiphop, Darstellendes Spiel und Schülerzeitung über verschiedenen Sportarten bis zum Kochen in der schuleigenen Lehrküche und der Schulgarten-AG – professionell zu realisieren. Neben der GSJ sind das mehrere Sportvereine, Kunst- und Musikschulen oder das Schlossplatztheater Köpenick, soziale und betriebliche Einrichtungen und Organisationen.

Urban Gardening
AG „Urban Gardening“ © Schule an der Dahme

Die Schulgarten-AG „Urban Gardening“ leiten Franziska Nartschik und Waltraud Düber. Der Schulleiter erinnert sich: „Der Schulgarten liegt an einer Stelle, die nicht einsehbar ist und an der sich früher die Jugendlichen immer zum Rauchen getroffen haben. Ich war keine drei Wochen Schulleiter, da kamen die ersten Anrufe von Nachbarn gegenüber.“ Im Herbst 2015 wurden in Zusammenarbeit mit dem Kreuzberger „Prinzessinnengarten“ die ersten beiden Hochbeete für Kräuter und Gemüse angelegt. Aus dem ehemaligen Kiezgarten in der Rudower Straße wurden Nutz- und Zierpflanzen und Obststräucher umgepflanzt.

Im Schuljahr 2016/2017 begann die Schulgarten-AG unter Leitung von Waltraud Düber, einer Biologie-Lehrerin und Expertin der Bildung für nachhaltige Entwicklung, mit dem Modellprojekt „Keyhole Garden“. Keyhole Gardens sind sich selbst düngende Hochbeete – beispielsweise für Salate, Blattgemüse, Kräuter, Lauch- und Wurzelgemüse –, auf denen gleichzeitig organische Abfalle verwertet werden. Von oben betrachtet sehen sie ein wenig wie ein Schlüsselloch („Keyhole“) aus und werden daher auch Schlüssellochbeet genannt. Durch den Einbau von Ästen in der Erde ist für die Durchlüftung des Bodens gesorgt. Die AG ist nicht zuletzt deshalb so beliebt, weil sie nicht an feste Zeiten gebunden ist – die Arbeit muss gemacht werden, wenn sie anfällt, und kann selbst eingeteilt werden.

Schul- und Unterrichtsentwicklung mit starker Steuergruppe

Dank des Ganztags konnte die Schule insbesondere eine entscheidende und erfolgreiche Veränderung in der fachlichen Förderung der Schülerinnen und Schüler einführen. „Früher haben wir die leistungsschwächeren Schülerinnen und Schüler in Förderkurse gesteckt“, berichtet Tilo Vetter. „Da waren wir dann mehr damit beschäftigt, den Eltern Briefe zu schreiben, als ihre Kinder zu fördern. Die sind nämlich oft gar nicht erschienen, weil sie die Förderung als eine Art Bestrafung empfanden.“

So entschied sich das Kollegium, stattdessen „Profilkurse“ für alle einzuführen. Das hat sich als „Riesenerfolgskonzept“ erwiesen. Ein ganzer Flur öffnet einmal wöchentlich für eine Stunde seine acht Klassenräume. Die Jugendlichen, die für ein Jahr einen Profilkurs wie „Vorbereitung auf die gymnasiale Oberstufe“, „Deutsch / Englisch“ oder „Mathematik / Naturwissenschaften“ gewählt haben, begeben sich in ihren jeweiligen Raum, um selbstständig und in Begleitung von Lehrkräften zu lernen. Sie entscheiden selbst, ob sie dort Hausaufgaben – die laut Tilo Vetter „früher überhaupt nicht gemacht wurden“ – oder individuelle Aufgaben erledigen.

Naturwisschenschaften
Fachbereich Naturwisschenschaften © Schule an der Dahme

Die Schul- und Unterrichtsentwicklung in der Schule an der Dahme verdankt sich einer starken Steuergruppe. In regelmäßigen Besprechungen entwickelt diese Ideen, woraus „ein sehr buntes Schulleben, ein sehr interessanter Unterricht und sehr viele Projekte“ entstehen. Vetter ist selbst Sportlehrer und kann das für den Sportunterricht bestätigen: Weil eine einzelne Stunde Sport „gar nichts bringt“, sind 14-tägige Doppelstunden ein einfacher, aber höchst wirkungsvoller Zug gewesen. Angebote wie Rudern, Golf, Yoga oder der Besuch eines Fitness-Centers sind so überhaupt erst möglich.

Produktives Lernen

Eine Besonderheit der Schule ist seit 2008 das „Produktive Lernen“, das nicht im Stammhaus an der Glienicker Straße, sondern am Standort Keplerstraße stattfindet. Es ist ein Bildungsangebot der Berliner Integrierten Sekundarschulen für Schülerinnen und Schüler aller Schularten, denen das Lernen in der ihrer Schule schwerfällt und deren Abschluss gefährdet ist. An der Schule an der Dahme nehmen vier Lehrkräfte und der Schulsozialarbeiter Thorsten Falk von der GSJ hier Neunt- und Zehntklässler nach persönlichen Gesprächen auf. Grundsätze sind Pünktlichkeit, regelmäßiger Schulbesuch und Respekt. „Wer Lust auf Schule hat, ist bei uns richtig“, heißt es im Team des Produktiven Lernens. Und „Schulschwänzer haben auch bei uns keine Chance“.

„Produktives Lernen“ bedeutet, dass der Theorieteil weitgehend auf die Hauptfächer reduziert und der Praxisteil auf drei Wochentage erhöht wurde. Das Schuljahr ist in Trimester aufgeteilt, sodass die Schülerinnen und Schüler pro Jahr an drei verschiedenen, selbstgewählten Praxislernorten einen Einblick in das Berufsleben erhalten. Die umfangreiche Berufsorientierung hilft vielfach, über den Praxisplatz auch in eine Ausbildung zu kommen. Als Schulabschlüsse können die einfache Berufsbildungsreife, die erweiterte Berufsbildungsreife und der mittlere Schulabschluss erreicht werden. Rund zwei Drittel der Schülerinnen und Schüler schaffen im Schnitt den Abschluss.

„Das Erfolgsgeheimnis liegt in der individuellen Herangehensweise und auch der hervorragenden Raumsituation“, berichtet der Schulleiter. Viele Schülerinnen und Schüler erfahren Anerkennung und Bestätigung in den Betrieben. Ein Schüler konnte, weil er sich im Produktiven Lernen als echtes Talent entpuppt hatte, auch ohne die formale Qualifikation als Verkäufer im Autohaus anfangen. Und eine Schülerin erreichte schließlich sogar die Zugangsberechtigung für die gymnasiale Oberstufe.

„Schule mit familiären Touch“

Tilo Vetter findet es dennoch schmerzlich, dass immer noch 15 Prozent der Schülerinnen und Schüler die Schulen ohne Abschluss verlassen. Die Zahl sei viel zu hoch: „Das ist eine Aufgabe für die Zukunft, die Abschlüsse zu erhöhen.“ Seine Schule beschreibt er als eine „Schule mit familiären Touch“. Sie habe gerade noch die Größe, bei der sich alle kennen und bei Bedarf auch helfen. Der Schulleiter lässt es sich nicht nehmen, jeden Morgen die Schülerinnen und Schüler beim Ankommen persönlich zu begrüßen: „Da sehe ich schon mal, wenn einer Kummer hat oder sich was anbahnt. Dann kann ich präventiv helfen und unsere Schulsozialarbeit einbeziehen.“

Fußballspiel
Zum Produktiven Lernen gehört auch ein Fußballspiel © Schule an der Dahme

Kurz vor den Sommerferien freut sich Vetter über das zurückliegende „konfliktfreie Schuljahr“ und besonders über „die hervorragende Unterrichtsgestaltung“ seiner Kolleginnen und Kollegen. Sein Credo: „Es darf keinen Stillstand geben, eine Schule muss sich immer weiterentwickeln.“ Eine weitere Aufgabe steht im kommenden Schuljahr an, nachdem der heimische Fußballverein FC Union als zweiter Berliner Club den Aufstieg in die erste Bundesliga feierte: „Hier sind alle Unioner, aber wir haben im Gegensatz zu einer Nachbarschule noch keine Kooperation mit Union Berlin. Die werden wir jetzt kontaktieren.“

 

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