Helmholtz-Gymnasium: Ganztag im Zeichen der Eule : Datum: Autor: Autor/in: Ralf Augsburg

Das altehrwürdige Helmholtz-Gymnasium in Potsdam schafft mit den Arbeitsgemeinschaften des offenen Ganztags neue Chancen für alle Schülerinnen und Schüler.

Es gibt nicht viele Schulen in Deutschland mit einer solchen Tradition. Die neben dem berühmten Holländischen Viertel in Potsdam liegende Europaschule war einst „Große Stadtschule“ und „Königliches Viktoria-Gymnasium“, bevor sie 1946 den Namen ihres wohl bekanntesten Schülers annahm, des Physikers Hermann von Helmholtz, nach dem heute eine Gemeinschaft deutscher Forschungszentren benannt ist.

Außenansicht des Helmholtz-Gymnasiums in Potsdam
Helmholtz-Gymnasium Potsdam © Helmholtz-Gymnasium

Bereits 1738 durch Preußenkönig Friedrich Wilhelm I gegründet, wandelte sich die Große Stadtschule 1812 zum humanistischen Gymnasium für Jungen und erhielt das Recht, das Abitur zu vergeben. 1878 wurde sie zum Viktoria-Gymnasium, 1946 mit der ostdeutschen Schulreform zur Helmholtz-Oberschule, dann EOS Hermann von Helmholtz und schließlich 1991 zum Helmholtz-Gymnasium.

Über den gesamten Zeitraum führte die Schule, die seit 1878 in einem roten Backsteinbau residiert, Schülerinnen und Schüler erfolgreich zum Abitur und behielt ihren guten Ruf – bis zum heutigen Tag. Das Wahrzeichen der Eule ist dabei omnipräsent und eine Identifikationsfigur. Auch eine Facebook-Seite „Helmholtz-Eule“ gibt es: Der Freundeskreis der Schule nennt sich so, und am 2015 eröffneten schuleigenen Spielplatz wacht das Maskottchen.

Doch alleine von der Historie kann eine Schule nicht zehren. Dass das Helmholtz-Gymnasium mit 720 Schülerinnen und Schülern - und damit voll ausgelastet - im Schuljahr 2015/16 seine Geschichte erfolgreich fortschreibt, ist zuvorderst dem engagierten Kollegium und einer Schulleitung zu verdanken, die über einen klaren pädagogischen Kompass verfügen und sich dabei offen für Neuerungen zeigen.

Dieter Rauchfuß, der von 1991 bis 2013 das Gymnasium leitete, hatte zu seinem Abschied erklärt: „Tradition ist nur sinnvoll, wenn man das Bewährte erhält und zugleich neue Wege geht. Wir wollen auch andere Unterrichtsformen und Projekte anbieten, aber dafür brauchen wir mehr Zeit. Schule muss mehr sein als nur Auswendiglernen. Wir wollen, wo wir können, Chancen für unsere Schüler schaffen und ihnen Angebote wie Seminare, Arbeitsgemeinschaften und Kooperationen machen.“

Ganztagstradition vor der Ganztagsschule

Kein Wunder, dass Rauchfuß anregte, offene Ganztagsschule zu werden. Dreimal bewarb sich die Schule schon, bevor sie 2008 endlich starten konnte. Damit zog man de jure nach, was man de facto schon längst war: Ganztagsschule. Nun in einem rechtlichen Rahmen und mit einer zusätzlichen finanziellen Ausstattung, aber bereits zuvor „endete bei uns der Schultag nicht um 14 Uhr“, wie sich Ganztagskoordinatorin Andrea Glende erinnert. „Viele Schülerinnen und Schüler nahmen hier freiwillig an Arbeitsgemeinschaften und Clubs am Nachmittag bis 17 Uhr teil.“

Zuvor war dieser Schritt im Kollegium „heiß diskutiert“ worden, denn laut der Ganztagskoordinatorin herrschte bei manchen Lehrerinnen und Lehrer noch ein Vorbehalt gegenüber dem Ganztag am Gymnasium. Davon ist heute nichts mehr zu spüren. Viele Lehrkräfte leiten selbst die Arbeitsgemeinschaften am Nachmittag, mit denen das Gymnasium sein Unterrichtsprofil vom Vormittag ergänzt und die nicht zuletzt dazu beitragen, dass die Schülerinnen und Schüler so erfolgreich in vielen Wettbewerben abschneiden „Wir haben leistungsbereite und leistungsstarke Schülerinnen und Schüler“, berichtet Schulleiterin Grit Steinbuch, „aber meine Kollegen sagen, dass man das, was Schülerinteressen erhoffen und die Wettbewerbe verlangen, nicht mehr alleine durch den Unterricht abdecken kann.“

Ganztag mit Profil

Die Schulleitung hat die Richtung vorgegeben, mit den Ganztagsangeboten die drei Profilbereiche zu stützen:

Helmholtz-Gymnasium
Chor © Helmholtz-Gymnasium

das Sprachenprofil mit dem bilingualen Zweig in Englisch, das mathematisch-naturwissenschaftliche und das musikalische Profil. Ab der 7. Klasse erhalten die Schülerinnen und Schüler in der Sprachprofilklasse zwei Stunden Englischunterricht mehr als die Parallelklassen. Kunst, Geschichte, Politische Bildung und Wirtschaftswissenschaften werden auf Englisch unterrichtet. In den Jahrgangsstufen 11 und 12 findet der Englisch-Kurs auf erhöhtem Anforderungsniveau mit vier Stunden und der Grundkurs Geschichte in englischer Sprache mit drei Stunden pro Woche statt.

Für die französische Sprache können Schülerinnen und Schüler am Helmholtz-Gymnasium Vorbereitungsstunden für die DELF-Prüfung wählen. Das Diplôme d´études en langue française ist eine externe Französischprüfung, die das Institut Français im Auftrag des französischen Bildungsministeriums abnimmt. Seit dem vergangenen Jahr ist das Helmholtz-Gymnasium sogar DELF-Prüfungszentrum. Als zweite Fremdsprache bietet die Schule Französisch und Spanisch an. Wenn Französisch zum Pflichtpensum gehört, können die Schülerinnen und Schüler im AG-Bereich auch Spanisch lernen.

MINT: Interessen und Begabungen fördern

Seit dem Schuljahr 1991/1992 gibt es das mathematisch-naturwissenschaftliche Profil. Der Unterricht ist interdisziplinär angelegt: Jeder Aspekt eines Problems soll beleuchtet werden. Dafür stehen Schwerpunktstunden und Arbeitsgemeinschaften zur Verfügung. In den Schwerpunktstunden wird auf das Erlernen experimenteller Verfahren und Fertigkeiten besonderes Augenmerk gelegt. Die Ganztags-AGs Mathe-Klub, Robotik, Physik, Astronomie und Biologie/Chemie verstärken den mathematisch-naturwissenschaftlichen Zweig. Besteht ein besonderes Interesse an einer Naturwissenschaft, kann es in einer Arbeitsgemeinschaft vertieft werden.

Das Gymnasium ist Mitglied des Vereins Mathematisch-naturwissenschaftlicher Excellence-Center an Schulen e.V. und zeichnet für besondere Leistungen im MINT-Bereich Abiturienten mit dem MINT-EC-Zertifikat aus. In diesem Schuljahr ist der gemeinsame Matheklub des Bildungsträgers URANIA Potsdam und des Helmholtz-Gymnasiums in den Räumen der Schule gestartet: Der Klub trifft sich wöchentlich in jahrgangsbezogenen Gruppen zu „Zahlenspielerei“ und Knobelaufgaben. Die Erfolge sprechen für sich: 14 der 18 Potsdamer Schülerinnen und Schüler , die zur Landes-Mathe-Olympiade eingeladen wurden, kommen vom Helmholtz-Gymnasium. Zwei nehmen nun am Bundesfinale teil.

Auch die seit 2010 bestehenden Leistungs- und Begabungsklassen (LuBK) haben ein mathematisch-naturwissenschaftliches Profil. Hier steht das selbstständige und projektorientierte Lernen im Vordergrund. Für leistungsstarke Schüler bietet die Schule in Kooperation mit der Universität Potsdam und anderen MINT-Schulen in Brandenburg jährlich im September Physik-Experimentiertage an. Seit 2008 gibt es den Helmholtz-Tag, einen naturwissenschaftlichen Projekttag, an dem die Schülerinnen und Schüler der Sekundarstufe I ihren Mitschülern ihre Experimente zeigen, sie durch selbst erstellte Ausstellungen führen und ihre unterrichtlichen Erfolge dokumentieren.

75 Prozent der Schülerinnen und Schüler nutzen den Ganztag

Bereits seit 1978 existieren die Spezialklassen für Musik mit zusätzlichem Musikunterricht, die heute die Sekundarstufe I, einen Profilkurs und einen Leistungskurs Musik in der Sekundarstufe II prägen. Die Arbeitsgemeinschaften Big Band, Chor, Popchor, Orchester und ein „Tanzkurs mit den Linksfüßern“ ergänzen das Angebot. Sie sind Aushängeschilder und beliebte Botschafter der Schule in die Stadt. Zuletzt war das Musical „Saturday Night Fever“ an vier Abenden im Potsdamer Nikolaisaal „bis auf den letzten Platz ausverkauft“, wie Andrea Glende stolz berichtet.

Helmholtz-Gymnasium
Musical 2016 © Helmholtz-Gymnasium

Während die Schule darauf achtet, dass die drei Profile im AG-Bereich gestärkt werden, wünschen sich die Jugendlichen mehr Sportangebote. Inzwischen gibt es AGs Kanu, Rudern, Schwimmen, Tischtennis und Basketball. „Aus den Wünschen der Jugendlichen und den Möglichkeiten, die wir und externe Partner einbringen, basteln wir das AG-Angebot. Zum Schuljahresbeginn senden wir es den rund 500 Sek I-Schülern zu, die sich dann einwählen. Nach drei Wochen steht das Programm. Die Schülerinnen und Schüler melden sich für ein Jahr verpflichtend an“, berichtet Schulleiterin Grit Steinbuch, die sich über den „funktionierenden Ganztag“ freut, an dem drei Viertel der Jugendlichen teilnehmen.

An den letzten beiden Schultagen vor Weihnachten ist am Gymnasium alles „HAKUNA MATATA“. Schülerinnen und Schüler organisieren Arbeitsgemeinschaften und führen sie selbstständig durch. Es gibt kaum ein Thema, welches noch nicht umgesetzt wurde: Backen, Nähen, Jonglieren, Stricken oder Friesenrock. Dabei zeigen auch die jüngsten Helmhöltzer, dass sie den angehenden Abiturienten etwas vormachen können.

Das 2014 bezogene Klassenhaus, ein Neubau im Hof des altehrwürdigen Ensembles, in dem die Oberstufe untergebracht ist, hat mit seinem Fachraumprinzip dazu geführt, dass die Lehrkräfte sich stärker austauschen und zusammenarbeiten. Das Lehrerzimmer im Erdgeschoss hat als Treffpunkt beinahe ausgedient, stattdessen begegnet man sich in den Fachräumen, in denen dann auch Ideen wie die Englisch-Olympiade heranreifen.

Weltoffene Schule

Für Schülerinnen und Schüler mit entsprechendem Bedarf bietet das Gymnasium einmal in der Woche eine Hausaufgabenhilfe für die Kernfächer an, die von einer Lehrkraft betreut wird. „Wir empfehlen manchen Schülern, dieses Angebot zu nutzen, aber die meisten kommen von selbst“, hat Grit Steinbuch beobachtet. „Wenn ein Kollege merkt, dass eine Schülerin oder ein Schüler Schwierigkeiten hat, vermittelt er auch schon mal einen Schülertutor aus der Sek II. Damit haben wir gute Erfahrungen gemacht.“

Das Helmholtz-Gymnasium hat auch eine Tradition als weltoffene Schule. Bis 1933 wurde hier zum Beispiel Hebräisch unterrichtet. Heute will die Europaschule, so Schulleiterin Grit Steinbuch, den Gedanken Europas hinaustragen. Schülerinnen und Schüler haben kürzlich mit anderen Potsdamer Schulen ein Benefizkonzert für Flüchtlinge veranstaltet. Der Erlös von 5.200 Euro kommt Integrationsprojekten zugute. Schulpartnerschaften mit Großbritannien, Frankreich und Polen werden gepflegt. Das Europa-Modellparlament hat Tradition und ermöglicht den Schülerinnen und Schülern auch die Teilnahme auf internationaler Ebene.

„Wir haben noch viele Ideen“, meint Andrea Glende, „aber derzeit fehlen uns zur Umsetzung die Räume.“ Das alte Schulhaus wird saniert, in diesem Jahr soll es endlich fertig werden. „Dann freuen wir uns auf einen Medienraum, die Schulmediothek und die naturwissenschaftlichen Arbeitsräume, die momentan noch im Container untergebracht sind.“

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