Ganztags anregungsreich: James-Krüss-Grundschule : Datum: Autor: Autor/in: Stephan Lüke

Die James-Krüss-Grundschule in Barmstedt und Bokholt-Hanredder ist seit 2023 „MINT-freundliche Schule“. Im anregungsreichen Schulalltag werden Lern- und Denkfreude als Zukunftskompetenzen vermittelt.

James-Krüss-Grundschule Barmstedt
James-Krüss-Grundschule Barmstedt © James-Krüss-Grundschule

Der Himmel hat seine Schleusen geöffnet. Es gießt wie aus Kübeln. Doch so manches Kind der James-Krüss-Grundschule in Barmstedt, rund 30 Kilometer nordöstlich von Hamburg gelegen, widersetzt sich der freundlichen Lautsprecherdurchsage von Grit Wulf – „Die nächste Pause ist eine Regenpause“ – und stürmt hinaus. Die Sekretärin hatte mit Blick aus dem Fenster die Erlaubnis ausgesprochen, sich in der Pause im Schulgebäude aufhalten zu können. Zwei auch später noch vom Regen gezeichnete Schülerinnen verraten, warum sie lieber raus wollten: „Ich möchte mich bewegen, mit meinen Freunden toben“, sagt eine Neunjährige. Während ihre Freundin meint: „Hier regnet es doch ohnehin oft. Und meine Mama sagt immer, wir seien doch nicht aus Zucker.“

Man könnte meinen, das Lehrerkollegium habe die Worte bei der Erarbeitung des Schulkonzeptes im Hinterkopf gehabt. Denn dass die an dieser Schule Tätigen stets „das Kind und seine Bedürfnisse im Blick haben“, wie Schulleiterin Astrid Reumann und ihre Stellvertreterin Birgit Dannemann betonen, bedeutet nicht, dass die Schülerinnen und Schüler nicht gefordert werden. „Fordern heißt ja nicht, das Lernen keine Freude bereiten darf.“

Eine Schule, die sich kümmert

Doch wann und wie lernen Kinder am besten? Wo drückt sie der Schuh? Diese Frage beschäftigt das Kollegium, das neben „unserem FSJ`ler, unserem Schulassistenten, unserem Hausmeister und externen Kooperationspartnern“ ein rein weibliches Team ist. Für eine fundierte Antwort nimmt die Schule am schulbegleitenden Projekt „Schools that care“ teil. In mehreren, aufeinanderfolgenden Workshops erarbeitet das Kollegium gemeinsam mit FINDER e.V. aus Berlin eine schulspezifische Präventionsstrategie.

Dafür fand in der von rund 280 Kindern besuchten James-Krüss-Grundschule mit Standorten in Barmstedt und Bokholt-Hanredder eine repräsentative Befragung in den dritten und vierten Klassen sowie des gesamten Personals statt. Nun liegen Ergebnisse auf dem Tisch, die zum Nachdenken und Handeln auffordern. So haben verhältnismäßig viele der Befragten angegeben, dass sie schlecht schlafen: Zwei Drittel können schlecht einschlafen, 50 Prozent wachen nachts immer wieder einmal auf. Plagen sie persönliche Sorgen? Oder bereitet ihnen die Schule zu viel Stress?

Villa Kunterbunt in Bokholt-Hanredder
Villa Kunterbunt in Bokholt-Hanredder © James-Krüss-Grundschule

Astrid Reumann und Birgit Dannemann können darauf noch keine gesicherte Antwort geben. Die Kinder fanden zunächst einmal auch keine Erklärung. Doch das Schulleitungsduo ist überzeugt: „Ihnen fehlen eindeutig Ruhephasen, in denen sie einmal runterfahren können.“ Wie das Kollegium konkret damit und den weiteren ermittelten Risikofaktoren umgeht, wird in einem kommenden Workshop ausgearbeitet.

Mehr Zeit und Raum zum Entspannen

Sicher aber ist jetzt schon, dass die Grundschülerinnen und Grundschüler mehr Zeit und Raum zum Entspannen erhalten sollen, Bewegung und Musik – die Schule bietet in Zusammenarbeit mit der „Musikschule Treffpunkt“ das Projekt „Jedem Kind ein Instrument“ an – eingerechnet. Der offene Tagesanfang, der jeden Vormittag einleitet, soll noch stärker Gelegenheiten zum offenen Gespräch und, wenn gewünscht, zum Abladen von Sorgen bieten.

Auch die „Hummerbude“, ein von Hans-Hennig Vollborn vom Museumsverein gebautes kleines, aber gemütliches Holzhäuschen, soll helfen, herunterzukommen. In Anlehnung an den Namensgeber der Schule ist der im Foyer stehende Leseraum mit Büchern, Spielen und Sitzkissen ausgestattet. Vier Kinder finden hier Platz. Wer jeweils in den Genuss des Lesens in der Hummerbude kommt, entscheidet jede Klasse und vergibt entsprechende „Eintrittskarten“.

Sport
© James-Krüss-Grundschule

Ein weiteres Resultat der Befragung war die Notwendigkeit von Zuspruch und Anerkennung. „Wir überlegen, wie wir noch stärker als bisher vermitteln können, dass positive Verhaltensweisen auch zu Anerkennung und Respekt beitragen“, sagt Astrid Reumann. Schon jetzt werden den Schülerinnen und Schülern dazu viele Gelegenheiten geboten, wie zum Beispiel die weihnachtlichen Gesangsauftritte im Seniorenpark Rantzauer See. Die Reaktionen der älteren Menschen sind eine solche Anerkennung, wie eine Schülerin bemerkte: „Sie haben ja vor Freude und Dankbarkeit Tränen in den Augen gehabt.“ Die Erfahrung sammelten Schülerinnen und Schüler auch bei einer kreativen Aktion: Sie beschrifteten Karten mit persönlichen guten Wünschen für das Weihnachtsfest und das Neue Jahr und verteilten diese auf dem Marktplatz. Die Beschenkten reagierten gerührt.

Demokratiebildung in der Schule

Allein schon die Befragung zeugt vom Demokratieverständnis in der James-Krüss-Schule, das die Erwachsenen den Kindern vorleben und sie zu entsprechendem Handeln ermutigen und anleiten. Die Wahlen von Klassensprecherinnen und -sprechern sind obligatorisch, Themen werden im Klassenverband diskutiert und abgestimmt. Dass die dritten Klassen Wahlen „wie im realen Leben“ mit Wahlplakaten, Wahlzetteln, Wahlbenachrichtigungen und Wahlkampf organisieren, hinterlässt wertvolle Spuren.

Kindgerecht werden auch Themen wie Nationalsozialismus und Judenfeindlichkeit aufgegriffen. „Stolpersteine“ in der Gemeinde sind ein außerschulischer Lernort. In der „Schule ohne Rassismus – Schule mit Courage“ finden regelmäßig Aktionstage gegen Rassismus statt, an denen Lehrkräfte Projekte anbieten. An Hörkinotagen werden passende Geschichten vorgelesen oder erzählt und Lieder aus verschiedenen Ländern gesungen. Zum breitgefächerten Engagement in der Demokratiebildung soll künftig ein Schülerinnen- und Schülerparlament gehören.

Birgit Dannemann ist überzeugt: „Das soziale Gefüge in der Gruppe zu stärken, ist eine Voraussetzung dafür, dass sich die Kinder bei uns wohl fühlen. Dadurch können sie auch besser lernen.“

Lern- und Denkfreude fördern mit MINT

Roboter
© James-Krüss-Grundschule

Einen fachlichen Schwerpunkt legt die James-Krüss-Grundschule in der MINT-Förderung. MINT prägt den Unterricht. Jährlich werden mit jeder Klasse zwei ganztägige Workshops zu Themen wie „Chemie ist, wenn es knallt und stinkt“, „Physik zum Anfassen“ oder „Lego Mindstorms“ durchgeführt. In der „MINT-Zeit“ kooperiert die Schule hauptsächlich mit dem Chemiker Dr. Rahim Bahramsari, der seit 30 Jahren MINT-Kurse für Kinder und Jugendliche, aber auch für Lehrkräfte anbietet. Auch im Rahmen der Offenen Ganztagsschule (OGTS), deren Träger die Johanniter-Unfall-Hilfe ist, können die Schülerinnen und Schüler MINT-Kurse besuchen.

Schulleiterin Astrid Reumann ist sich sicher, dass sich Kinder am besten Wissen aneignen, wenn sie selbst experimentieren und forschen. Sie stärken damit ihr Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten. Gefördert werden Neugierde, Forscherdrang und Begeisterungsfähigkeit für die Naturwissenschaften und ihre Phänomene. Denn Lern- und Denkfreude sieht die Schule als wichtige Zukunftskompetenzen.

Um die Zukunft der MINT-Förderung macht sie sich dank der Kreativität ihres Kollegiums keine Sorgen. Schon jetzt sind Lehrkräfte in die Workshops von Dr. Bahramsari so eingebunden, dass sie dank dieser Form der „Fortbildung“ ebenfalls MINT-Expertinnen geworden sind. Das Engagement der James-Krüss-Grundschule wurde im November 2023 belohnt, als sie die Auszeichnung als „MINT-freundliche Schule“ in Schleswig-Holstein erhielt.

Ganztag mit mobilem Universum

Projekttag zum 9. November
Projekttag zum 9. November © James-Krüss-Grundschule

Die Kurse des Offenen Ganztags bieten nach Ansicht von Astrid Reumann und Birgit Dannemann durch ihr vielfältiges Angebot zudem die Chance für die Persönlichkeitsentwicklung der Schülerinnen und Schüler. Rund 150 Kinder sind für die OGTS in der „Villa Kunterbunt“ angemeldet. Für sie ist die Nutzung des Kursangebots kostenlos. Dazu gehören neben MINT zum Beispiel Plattdeutsch-Kurse, Theater spielen, sportliche Aktivitäten wie Handball, Fußball und Tischtennis, aber auch Yoga, Schach oder „Nadel und Faden“ und die Holzwerkstatt. Kinder, die nicht im Ganztag angemeldet sind, können für einen kleinen Unkostenbeitrag ebenfalls an den Kursen teilnehmen.

Wann immer möglich und sinnvoll, werden Projekte in unterschiedlichen Zeitspannen als Tages- oder Wochenprojekte durchgeführt. Ein Tagesprojekt kann zum Beispiel sein, sich als Klasse ausgiebig mit dem Namensgeber der Schule oder dem Schreiben von Geschichten zu beschäftigen. Im Jahres-Rhythmus gibt es an der James-Krüss-Grundschule auch große Projekte für die gesamte Schule: die Zirkusprojektwoche, das Frühlingsfest, den Wandertag und eine Schulprojektwoche.

Als ein Höhepunkt in diesem Schuljahr gilt das Pop-Up Planetarium der Wiener Astronomin Dr. Ruth Grützbauch, die mit ihrem mobilen Planetarium den Kindern die Faszination des Universums vermittelt. Schulleiterin Astrid Reumann hatte sie in einer Fernsehsendung gesehen und spontan angeschrieben. Nun kommt sie alle zwei Jahre aus Österreich, bläst ihr Planetarium, das 30 Kindern Platz bietet, in der Turnhalle auf und erklärt den neugierigen Schülerinnen und Schülern das Weltall.

Anregungsreicher Schulalltag

Bei all diesen Aktivitäten eines anregungsreichen Schulalltags – zu dem etwa auch ein „Outdoor-Klassenzimmer“ gehört – schweben der Schulleiterin und ihrem Kollegium immer noch Optimierungsmöglichkeiten durch den Kopf. Derzeit träumen sie von einem umgestalteten Foyer, das mehr Raum für kleinere Arbeitsgruppen bietet, einem Ruhe- und einem Toberaum, naturnahen Schulhöfen an beiden Standorten, von mehr Differenzierungsräumen, einer Bibliothek für die Kinder und Lehrkräfte oder einem Lehrkräftezimmer mit individuellen Arbeitsplätzen.

Lesen
© James-Krüss-Grundschule

Aktuell steht die Förderung der Lesekompetenz im Fokus der unterrichtlichen Arbeit. In der 3. Jahrgangsstufe aktuell eingeführt und weiterhin mit dem Kollegium diskutiert und evaluiert wird die Einführung des Hamburger Lesebands. Auch weitere Schulentwicklungsthemen und offene Fragen möchten Astrid Reumann und Birgit Dannemann mit ihren Kolleginnen und Kollegen besprechen. Denn, so die Schulleiterin: „Wir sind ein Team und entscheiden gemeinsam!“

Eine gute Voraussetzung dafür ist sicherlich, dass in der eingangs genannten Befragung 82 Prozent der Schülerinnen und Schüler angaben, dass sie in der Schule „viel Spaß“ haben und „viel gelacht“ wird. Die Erwachsenen hoben in der Befragung das freundliche, offene und vertrauensvolle Schulklima hervor, das für sie die Grundlage einer guten Zusammenarbeit ist.

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