Ganztag mit Musik und Schulhund Sally : Datum: Autor: Autor/in: Ralf Augsburg

Soziales Lernen, Engagement gegen Rassismus und vor allem viel Musik – die Schülerinnen und Schüler der Schiller-Schule in Höhr-Grenzhausen zeigen immer wieder ihr Können. Auch Schulleiter Martin Krautkrämer ist begeistert.

Einschulung
Schulleiter Martin Krautkrämer wird von Musiklehrer Bernd Keffer begrüßt © Schiller-Schule

Klein, aber oho! 56 Schülerinnen und Schüler lernen an der Schiller-Schule in Höhr-Grenzhausen im Westerwaldkreis und sorgen immer wieder für Gänsehautmomente. So zum Beispiel vor vier Jahren mit ihrem Musikvideo „Rassismus fängt zu Hause an“, das in Zusammenarbeit mit Daniel Mandolini alias Mando, dem mehrfachen Deutschen Meister, Europameister und Mannschaftsvizeweltmeister im Beatboxen entstand. Zunächst gab es Tipps vom Meister in einem eintägigen Workshop zum Beatboxen. Die Schülerinnen und Schüler nutzten diese in einem kurzen Konzert.

Anschließend nahmen die Jugendlichen zu ihrem Song ein Video an markanten Orten in ihrer Verbandsgemeinde mit den 10.000 Einwohnern auf. Ausgewählte Persönlichkeiten, zufällig angetroffene Bürgerinnen und Bürger auf der Straße, Schülerinnen und Schüler weiterer Schulen und vor allem auch einige der Flüchtlinge, die die Gemeinde aufgenommen hat, gaben Statements in die Kamera: für ein friedliches Miteinander und gegen Rassismus.

Ermöglicht wurde die Arbeit mit einem professionellen Filmteam unter anderem durch das Projekt „Jedem Kind seine Kunst“, mit dem die Film-AG an der Schule eingerichtet wurde. Schülerinnen und Schüler konnten so gleich noch Erfahrungen rund um das Thema Film gewinnen. Aus fünf Stunden Filmaufnahmen wurden im Schneideraum fünf Minuten Musikvideo, über das sogar der Südwestfundfunk berichtete. Dass ein Platz in Höhr-Grenzhausen seit 2017 „Platz der Kinderrechte“ heißt, verdankt sich auch dem Engagement der Schiller-Schülerinnen und -Schüler.

Gut vernetzter Musiklehrer im Bundesjugendhilfemusikprojekt

In diesem Schuljahr sorgte wieder ein musikalischer Genuss für Gänsehaut. Vor über 700 Zuschauern standen am 18. September 2019 acht Schülerinnen der Schiller-Schule zusammen mit rund 100 Kindern und Jugendlichen auf der Bühne der Gebläsehalle Neunkirchen, wo das Konzert des Bundesjugendhilfemusikprojekts stattfand. An drei Workshop-Tagen hatten die Schülerinnen und Schüler zuvor ihr Repertoire von Gospel bis Hip-Hop eingeübt und zeigten dann ihr Können im Chor, in der Mädchen-Rockband „Flashmob6“ und beim Trommeln. Es war nicht der erste Auftritt von Schiller-Schülerinnen und -Schülern; bereits bei früheren Konzerten zum Beispiel in Berlin, Bonn, Düsseldorf, Mainz, Saarbrücken und Trier war die Schule mit dabei.

Mädchenband
Schülerinnenband © Schiller-Schule

Musik wird groß geschrieben an der Schiller-Schule im Kannenbäckerland, einer Kulturlandschaft, die sich den Tonvorkommen und der Keramikherstellung verdankt. Musiklehrer Bernd Keffer spielt im Ganztagsangebot mit Schülerinnen und Schülern in der Schulband "(S)chilla Gang", die früher "Massive Lärmbelästigung" hieß, und war auch maßgeblich an der Entstehung zum Video „Rassismus fängt zu Hause an" beteiligt – der Song stammt von ihm. Mando hatte er über einen privaten Kontakt an die Schule vermittelt. „Bernd Keffer ist sehr gut vernetzt und stellt uns auch eigene Musikinstrumente zur Verfügung“, freut sich Schulleiter Martin Krautkrämer.

Das Thema Rassismus wird in der Schule mit dem Förderschwerpunkt Lernen und ganzheitliche Entwicklung immer wieder aufgegriffen. In diesem Schuljahr beispielsweise begrüßten die Schülerinnen und Schüler der Abschlussklasse, die sich im Geschichtsunterricht mit dem Holocaust beschäftigt hatten, Helena Baloun-Demer, die vom Schicksal ihrer Mutter Olga Rotter-Baloun und ihrer jüdischen Familie im jugoslawischen Belgrad berichtete.

Toleranz, die gelebt wird

40 Schülerinnen und Schüler der Schiller-Schule besuchen die offene Ganztagsschule, die es seit dem Schuljahr 2007/2008 an vier Wochentagen gibt. Zum Ganztagsangebot gehört für die jüngeren Schülerinnen und Schüler neben dem Mittagessen die Spielzeit auf dem Schulhof. Dort können sie Kart fahren, mit Bällen, Federbällen, Seilen und anderen Spielgeräten aktiv sein, die von einer FSJlerin ausgegeben werden.

Gemeinsam starten alle Schülerinnen und Schüler um 14 Uhr in die Lernzeit. In den klassenweise organisierten Lernzeiten, in denen sie ihre Hausaufgaben erledigen, sind pädagogische Fachkräfte tätig, immer dieselben, um Kontinuität und die Kommunikation mit den Klassenlehrkräften zu erleichtern. „Wir haben eine ehemalige FSJlerin, eine Anerkennungspraktikantin und zwei unbefristet Beschäftigte eingesetzt – das sind zusammen mit unseren im Ganztag eingesetzten Kolleginnen und Kollegen die Stützen unseres Nachmittags“, erläutert Schulleiter Martin Krautkrämer. „Und ganz viel Kreativität meiner Kolleginnen und Kollegen würde ihren Platz ohne die Ganztagsschule nicht finden können.“

Pizza backen
Pizzaherstellung mit Restaurantchef Pino Confuorti © Schiller-Schule

Die rund 20 Lehrkräfte und zehn pädagogischen Fachkräfte arbeiten in dem 1898 erbauten Volksschulgebäude, das vor einem Jahrzehnt einen Anbau erhalten hat. Da einige Lehrkräfte im Ganztag mitwirken, finden die Konferenzen – rollierend von Montag bis Donnerstag – einmal im Monat jeweils nach 16 Uhr statt. Hier kommen auch die außerschulischen Kräfte zusammen. „Für mich ist ganz wichtig, dass wir uns als Schulgemeinschaft verstehen, zu der jeder seinen Anteil beiträgt. Und ganz wichtig ist Toleranz, die gelebt und eingeübt wird“, meint Martin Krautkrämer. „Dazu kommt das Trainieren der sogenannten Soft Skills, mit denen wir unsere Schülerinnen und Schüler fit für das spätere Arbeitsleben machen.“

Die Ganztagsschule bietet dem Schulleiter zufolge die Möglichkeit, Schülerinnen und Schüler aus einer anderen Perspektive kennenzulernen: „Schülerinnen und Schüler im Unterricht sind nicht dasselbe wie Schülerinnen und Schüler im Ganztag. Ohne Ganztag würden wir vieles nicht wahrnehmen können. Die größten Lernerfolge stellen sich dann ein, wenn die Jugendlichen etwas selbst organisieren – das kann man im Unterricht nicht immer sehen. Für mich ist das ein großer Gewinn, sie nochmal anders zu erleben.“

Creative Change

An jedem Nachmittag stehen vier Arbeitsgemeinschaften zur Auswahl. Die AGs, die von Lehrkräften angeboten werden, reichen von der „Bücherwurm“-AG über „Haus und Garten“ oder „Umwelt“ bis zur Schülerzeitung, der AG „Aktive Entspannung“ und der „Band Unterstufe“. Ein ehemaliger Kollege bietet die Zirkus-AG an. Außerdem gibt es noch zahlreiche Kooperationen mit außerschulischen Partnern in der Region, etwa mit dem Fußballverband Rheinland, dem Verein „Pop 2 Go“ der Landesarbeitsgemeinschaft Rock & Pop und dem Verein „Boxen macht Schule“, einem Projekt zur Gewaltprävention. Die AGs und damit der Schultag enden um 15.45 Uhr.

Seit drei Jahren beteiligt sich die Schiller-Schule am Programm „Creative Change", in dem es um Partizipation und Mitgestaltung, um „Seine eigene Meinung sagen“ und „Etwas in der Welt verändern“ geht und das aus dem Förderprogramm „Demokratie leben“ des Bundesjugendministeriums finanziert wird. Jedes Jahr führen Siebtklässler ein Bühnenstück auf, das sie mit ihren eigenen Ideen weiterentwickeln.

Schulgarten mit Peter-Lustig-Bauwagen und Bienenhotel

„Eine wunderschöne Ergänzung unseres Schulalltags ist unser Schulgarten, den es bereits seit 2011 gibt“, betont Schulleiter Martin Krautkrämer. „Seit zwei Jahren arbeiten wir mit der GemüseAckerdemie zusammen, die uns bei der weiteren Planung geholfen hat und uns mit Saatgut versorgt.“ Der Schulgarten entstand auf einem über 1.000 Quadratmeter großen Grundstück in einem Schrebergartenviertel unweit der Schule, das seinerzeit als verwildertes Gelände übernommen worden war. Es fand viele „helfende Hände“, vom Bürgerservice PAuL e.V. über den Bauhof bis zum Graffiti-Künstler Hendrick Beikirch sowie den Schülerinnen und Schülern selbst.

Bienenhotel
Präsentation des Bienenhotels im Projekt "Bienen machen Schule" © Schiller-Schule

Auf dem Grundstück gibt es einen kleinen Bach mit Brücke und einen „Bauwagen nach ‚Peter-Lustig's-Löwenzahn-Art’“, Apfel-, Birn-, Zwetschgen- und Nussbäume, eine Rasenfläche und eine Kräuterspirale. „Unser Schulgarten wird von ganz vielen Klassen genutzt. Das Obst und Gemüse verarbeiten die Schülerinnen und Schüler dann in der Schulküche“, erzählt Martin Krautkrämer. Die Klassen 6 bis 8 haben in diesem Schuljahr unter der Überschrift „Rettet die Bienen!“ ein Bienenhotel für den Schulgarten gebaut.

Das Soziale Lernen an der Schiller-Schule baut auf verschiedenen Programmen auf: In Klasse 1 bis 4 arbeitet die Schule mit „Lubo aus dem All“, einem Programm zum Sozialverhalten: In spielerischer Form kommt ein Außerirdischer in die Klasse und thematisiert Emotionen und Verhaltensweisen. In Klasse 5 und 6 schließt das „Programm zur Primärprävention“ (ProPp) an: Es soll die Persönlichkeitsbildung und soziale Kompetenzen stärken. Fester Bestandteil des sozialen Lernens vom 1. bis 6. Jahrgang ist auch Pil Sung. Die Selbstverteidigungskunst vermittelt Respekt, Selbstbewusstsein, Selbstbeherrschung und Körperbeherrschung und wird in Zusammenarbeit mit dem Landessportbund Rheinland-Pfalz im Sportunterricht für interessierte Kinder und Jugendliche durchgeführt.

Berufsorientierung mit Praxistag

Spätestens ab Klasse 7 wird die Berufsorientierung großgeschrieben. „Unser Konzept sieht den Praxistag für die Neuntklässler vor, das heißt, sie gehen an einen Tag in der Woche in einen Betrieb, um dort mitzuarbeiten. Der Praxistag wird immer von Seminaren und Angeboten außerschulischer Lernpartner begleitet. Da geht es zum Beispiel um Bewerbungsgespräche, aber auch um das Verhalten in Betrieben“, berichtet der Schulleiter.

„Das Ganze muss natürlich vorbereitet werden. In der Klasse 7 beginnen wir mit einem Sozialpraktikum. Es gibt in der 8. Klasse die Werkstatterprobungstage von der Handwerkskammer Koblenz und ein dreiwöchiges Blockpraktikum.“ So lernen auch die Betriebe die Stärken und Schwächen der Praktikantinnen und Praktikanten kennen. Von jeder Schülerin und jedem Schüler weiß die Schiller-Schule, wie es für sie nach dem Schulabschluss weitergeht.

Kunst
Schiller Meets Art © Schiller-Schule

Dabei wird die Schule immer wieder von der Berufsagentur Montabaur unterstützt. „Wir entlassen keinen ungesehen in die 'freie Wildbahn'“ betont Martin Krautkrämer. Viele Schülerinnen und Schüler gehen in das Berufsvorbereitungsjahr an der Berufsbildenden Schule über. Viele erwerben den Hauptschulabschluss an einer anderen Förderschule. Und es gibt einige, die eine Lehrstelle bekommen und die Lehre auch erfolgreich abschließen und von ihrem Betrieb übernommen werden.

Schulhündin Sally und das „Wir-Gefühl“

Zum sozialen Lernen gehört auch Schulhündin Sally. Der ungarische „Mudi“ von Lehrerin Karin Leithold, die mit Sally extra eine Schulhundausbildung absolviert hat, ist einmal in der Woche für vier Stunden zu Gast in Karin Leitholds Klasse. Je nach Bedarf geht Sally auch in andere Klassen, wenn dort Kolleginnen und Kollegen darum gebeten haben. Sally hilft den Schülerinnen und Schülern, das Wir-Gefühl zu stärken, Ängste abzubauen, Rücksichtnahme zu üben oder ihre Gefühle besser wahrnehmen zu lernen.

In der Unterstufe ist Sally gezielt zur Steigerung der Motivation im Einsatz: Für die Schülerinnen und Schüler ist es eine Belohnung, wenn sie den Hund füttern, streicheln, mit ihm spielen und mit ihm vorlesen dürfen. Darüber hinaus erkunden sie mit Sally ihre Umgebung, gehen spazieren und machen Bewegungsspiele.

„Ich selbst habe keine Ahnung von Hunden“, gibt Martin Krautkrämer zu. „Doch ich habe mir einige Stunden mit Sally angeschaut. Die Kinder waren konzentriert und hoch diszipliniert im Umgang mit dem Hund. Ich bin echt begeistert.“

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