Gute Ganztagsgrundschule im Hamburger Klassenhaus : Datum: Autor: Autor/in: Claudia Pittelkow

Das Hamburger Klassenhaus gibt Ganztagsgrundschulen viel Spielraum: Es ist schnell gebaut und qualitativ hochwertig. Auf der Schulbau-Messe in Hamburg war das Modell gerade in Miniaturausgabe zu bestaunen.

Messe Modell Klassenhaus
Architekt Adrian Krawczyk mit Lene Jensby-Lange aus Dänemark, die das Modell vom Klassenhaus eingerichtet hat. © S. Hirsch

Eine Art überdimensioniertes Puppenhaus war der Publikumsmagnet der diesjährigen SCHULBAU-Messe in Hamburg. An beiden Veranstaltungstagen zog das hölzerne Modell eines Hamburger Klassenhauses zahlreiche schulinteressierte Menschen an den Messestand der Hamburger Schulbehörde. Besucherinnen und Besucher konnten das im Maßstab 1:33 nachgebaute Schulgebäude, das 2018 für die Erweiterung von Grundschulen entwickelt worden war, nicht nur anschauen, sondern auch gleich mitgestalten.

Innenwände und Mobiliar ließen sich nach Belieben hin- und herschieben. Fast so wie im echten Leben: Der frei einzuteilende Grundriss des Hamburger Klassenhauses ermöglicht die Gestaltung ganz unterschiedlicher Raumkonzepte – vom traditionellen Klassenzimmer über Lerncluster bis hin zu offenen Lernlandschaften. Damit wird das Hamburger Klassenhaus insbesondere auch für die ganztägige Nutzung interessant. 

Erweiterung von Grundschulen

Angesichts rasant steigender Schülerzahlen werden in Hamburg in den kommenden Jahren mehr als 100 Schulen zusätzliche Schülerinnen und Schüler aufnehmen und weiteren Platz benötigen. Ein Schwerpunkt des Schulausbaus bildet die ein- oder mehrzügige Erweiterung von Grundschulen, die in der Hansestadt allesamt Ganztagsschulen sind. Für die ganztägige Bildung und Betreuung an Schulen muss daher dringend mehr ganztägig nutzbarer Raum geschaffen werden.

Dafür wurde vor drei Jahren das Hamburger Klassenhaus entwickelt, ein modulares Neubausystem mit kurzer Planungs- und Bauzeit. „In der Regel dauert die Planung acht Monate, weitere acht Monate wird gebaut“, erklärt Amad Rahman von Schulbau Hamburg, einem Landesbetrieb der Finanzbehörde, verantwortlich für den Bau, die Sanierung und die Bewirtschaftung der Hamburger Schulen. Je nach Flächenbedarf entstehen zwei- oder dreigeschossige Neubauten mit klimafreundlichen Gründächern. 

Ob Holz, Klinker oder Putz – die Fassadengestaltung des Hamburger Klassenhauses kann an das Umfeld angepasst werden und geschieht in Abstimmung mit der Schule. Auch im Inneren bietet das modulare Konzept flexible Grundrisse, die eine individuelle Auswahl offener und geschlossener Lernräume ermöglichen. Die Nebenflächen für Sanitäranlagen, Flure, Treppen und die Haustechnik sind raumsparend geplant, so dass bei dem kleinsten Klassenhaus schon rund 150 Quadratmeter pädagogisch nutzbare Fläche mehr zur Verfügung stehen als in herkömmlicher Bauweise.

Gestaltung nach pädagogischen Wünschen

Modell Klassenhaus
Modell vom Klassenhaus im Maßstab 1:33 © Luisa Wellhausen

Die Raumaufteilung können die Grundschulen selbst gestalten, ganz so wie es zu ihrer Lernkultur und ihrem pädagogischen Konzept passt. Rahman: „Wie die Räume zukünftig mit Leben gefüllt werden, ist letztlich Aufgabe der Schulen.“ Acht Hamburger Klassenhäuser sind bereits fertiggestellt, 14 weitere Häuser können noch in diesem Jahr in den Schulbetrieb gehen, sechs Klassenhäuser stehen kurz vor der Ausschreibung und weitere sechs Standorte sind derzeit in der Vorplanung.

An der Schule Fabriciusstraße, einer aktuell noch dreizügigen Grundschule in Hamburg-Bramfeld, steht das neue Klassenhaus kurz vor der Fertigstellung. Die Aufteilung der Räume wurde entsprechend den Wünschen der offenen Ganztagsschule umgesetzt: Der dreigeschossige Neubau beherbergt auf rund 1.350 Quadratmetern vier Fachräume, acht Klassenräume, weitere Gruppenräume sowie vielfältig nutzbare Lernfelder, die flexibel über die Räumlichkeiten verteilt sind. 

Das Raumkonzept der Schule verbindet die traditionelle Klassenstruktur mit offenen Lernumgebungen. Die Aufteilung ist luftig, die Wände sind farbenfroh gestrichen, alle Räume haben Fenster zu den Fluren, sodass Lehrkräfte aus den Klassen- und Fachräumen heraus auch alle Kinder, die in kleinen Gruppen auf den Fluren lernen, im Blick behalten können. 

Der Gestaltung der Innenräume ging ein langer Planungsprozess voraus mit dem gesamten Kollegium, dem Ganztagsausschuss, dem Elternrat, der Schulkonferenz und den „Elbkindern“, dem Träger der Ganztagsangebote am Nachmittag. Schulleiterin Birgit Möller: „Wir haben zusammen geplant, recherchiert, uns Fachkräfte zur Beratung eingeladen und andere Schulen angeschaut. Das hat zwar viel Zeit gekostet, aber auch wirklich Spaß gemacht.“ 

Planung mit Kompartmentkonzept

Hilke Schmidt
Hilke Schmidt von Schulbau Hamburg vor dem Klassenhaus © Claudia Pittelkow

In einem zweiten Schritt folgte die detaillierte Planung mit dem Bauträger. „Alles wurde entsprechend unseren Wünschen umgesetzt“, betont die Schulleiterin. Die drei Etagen des neuen Klassenhauses sind in Jahrgänge aufgeteilt, zu jeder Klasse gehört ein eigener Gruppenraum. Der Flur eines Stockwerks hingegen mit seinen Sitznischen und Arbeitsecken gehört allen Klassen der Etage gemeinsam. Möller: „Hier kann der gute Ganztag voll ausgestaltet werden. Die Kinder haben Ruhezonen und Lesekojen, gemütliche Sitzecken zum Entspannen und Reden, kleine Arbeitsecken, um in Gruppen etwas auszutüfteln oder ein Spiel zu spielen.“  

Die Schule Fabriciusstraße zeigt beispielhaft, wie das Hamburger Klassenhaus mit seiner räumlichen Flexibilität den pädagogischen Konzepten der jeweiligen Schule angepasst werden kann. Möglich wird dies durch das Kompartmentkonzept, das Flächen pädagogisch nutzbar macht, die andernorts lediglich als Flure dienen. Hilke Schmidt, beim Landesbetrieb Schulbau Hamburg zuständig für die Projektsteuerung Bau in der Region Wandsbek-Süd, erklärt: „In den meisten Bestandsgebäuden dürfen die Flure, auch wenn dort viel Platz ist, aus Brandschutzgründen nicht pädagogisch genutzt werden.“ Anders im Hamburger Klassenhaus: 

Durch die Kompartmentlösung können die großzügigen und hellen Flure zu Lern- und Aufenthaltsbereichen gestaltet werden. Die Schulen können sich sogar entscheiden, „wo sie die Wände haben möchten, ob sie vier oder fünf Klassenräume und weitere drei Differenzierungsräume abteilen wollen oder ob sie die 400 Quadratmeter eines Stockwerks völlig frei bespielen wollen, auch das wäre möglich“, so Schmidt. Denn jedes Geschoss steht, abgesehen von einigen wenigen Stützen, völlig frei. „Das kann mit allen möglichen Lernsettings und Atmosphären eingerichtet werden.“

Sofas für die Lerninseln

Die „freie Bespielung“ eines Schulgebäudes mit weniger traditionellen Klassen- und Fachräumen ist zurzeit eher noch Zukunftsmusik. Adrian Krawczyk, Architekt im Ganztagsreferat der Schulbehörde, berät Schulen bei der Umsetzung ihrer räumlichen Konzepte. Die Vorteile des Hamburger Klassenhauses sieht er in der Möglichkeit, auch alternative Raumkonzepte umsetzen zu können.

Birgit Möller, Ties Rabe, Andreas Dressel
Besichtigung mit Schulleiterin Birgit Möller und den Senatoren Ties Rabe (l.) und Andreas Dressel © Luisa Wellhausen

„Brandschutztechnisch kann man diese Flächen so aufteilen, wie man will. So, wie man es immer gemacht hat, also mit Klassenräumen, aber eben auch ganz anders“, sagt er. Das Musterflächenprogramm ermögliche das. Michael Dahm, der Architekt des Klassenhauses, präsentiere immer einen bunten Strauß von Möglichkeiten, diese Flächen zu strukturieren. „Wenn die Kinder den ganzen Tag in der Schule sind, gibt es natürlich neue Bedürfnisse. Die etablierten Strukturen beschränken die Spielräume, diese vielfältigen Bedürfnisse zu befriedigen“, so Krawczyk.

Die Mehrheit der Schulen bevorzugen bislang Klassenräume und damit eine Lernkultur, wie es sie seit Jahrzehnten gibt. Krawczyk: „Der Wandel von Lernkultur ist ein langwieriger Veränderungsprozess.“ Schulleiterin Birgit Möller hat sich hingegen bereits auf den Weg gemacht, an ihrer Schule gibt es beides: Klassenräume und offene Strukturen. „Für die Lerninseln auf den Fluren habe ich Sofas bestellt, schließlich sitzen die Kinder nicht den ganzen Tag in der Klasse.“ In einem guten Ganztag sollten Kinder die Möglichkeit haben, den ganzen Tag gut in der Schule zu verbringen, so die Pädagogin: „Dazu gehört Lernen, Arbeiten, Forschen – aber auch Entspannen, Wohlfühlen und Austoben.“

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