Verpflegung im Ganztag: eine Gemeinschaftsaufgabe : Datum: Autor: Autor/in: Stephan Lüke

„Über ihrem Mensakonzept brüten so manche Ganztagsschulen. Ideen für gesunde Ernährung und Nachhaltigkeit nach Qualitätsstandard lieferte ein Online-Seminar der Serviceagentur „Ganztägig lernen“ Hessen“ und der Vernetzungsstelle Schulverpflegung Hessen.

Zweieinhalb Stunden musste investieren, wer Antworten auf diese beiden Fragen suchte: Wie können wir unsere Mensa in der Ganztagsschule so gestalten, dass sie „von allen“ angenommen wird? Und: Wir können wir gesunde Ernährung und Nachhaltigkeit unter einen Hut bringen? Genau so lange dauerte das Online-Seminar „Schulverpflegung: DGE-Qualitätsstandards und Praxis“, zu dem die Serviceagentur „Ganztägig lernen“ Hessen eingeladen hatte.

Begleitet werden die Ganztagschulen schon gefühlt „ewig“ von der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE). Dort wurden die sogenannten DGE-Qualitätsstandards entwickelt. Sie liegen nun in aktualisierter Form vor. In den umfangreichen Überarbeitungsprozess flossen wissenschaftliche Erkenntnisse, besonders aber auch Erfahrungen aus der Praxis ein: Wie bereite ich Gemüse schmackhaft und damit attraktiv zu? Wie und was kaufe ich, wie plane ich? Wie gestalte ich die Ausgabe des Essens? Was mache ich mit übriggebliebenen Speisen?

Drei Kernaspekte der Standards

Die Diplom-Ökotrophologin Stephanie Klein stellte das Werk den Seminarteilnehmerinnen und -teilnehmern vor. Es wurde optisch aufgewertet und unter anderem durch unterschiedliche Symbole, Markierungen und Farbgebungen so gestaltet, dass die Inhalte leicht auffindbar sind. Checklisten bereichern die neuen Standards an manchen Stellen und erleichtern den „Verpflegungsverantwortlichen“ in Ganztagsschulen deren Umsetzung. Dabei wurde den Standards auch ein neues Kapitel zur Frühstücks- und Zwischenverpflegung hinzugefügt.

Drei Kernaspekte liegen den Standards zugrunde. Die ersten beiden geben Antworten auf die Frage, wie Ernährung in der Schulmensa gestaltet werden kann, dass sie der Gesundheitsförderung sowie einer nachhaltigen Ernährung gerecht wird. Kriterium Nummer drei betrifft die eingangs erwähnte Überlegung der Schulen. Oder, um es mit den Worten von Stephanie Klein auszudrücken: „Neben dem, was Kinder essen, ist es wichtig und entscheidend, wie oder wo sie essen.“ Will heißen, die Gestaltung der Mensa und die Rahmenbedingungen, die dort herrschen, haben eine elementare Bedeutung für ihre Akzeptanz.

Ökologischer Fußabdruck

Klein machte deutlich, dass wir durch das, was wir essen und trinken, unsere Gesundheit, Lebensqualität und unser Wohlbefinden beeinflussen. Durch vollwertige Mahlzeiten und Getränke erhalte der Körper alle lebensnotwendigen Nährstoffe, um möglichst gesund und leistungsfähig zu bleiben. Dazu gehören wichtige Nährstoffe wie Vitamine, Mineralstoffe, Proteine (Eiweiße), Fette, Kohlenhydrate, Ballaststoffe und sekundäre Pflanzenstoffe. Klein ergänzte: „Wie wir uns ernähren, beeinflusst nicht nur unser eigenes Wohlbefinden, sondern auch das Wohl heutiger und künftiger Generationen.“ Denn viele Lebensmittel stellten einen enormen „Fußabdruck“ im Hinblick auf das Klima, die Umwelt, soziale Aspekte sowie das Tierwohl dar.

Die Ökotrophologin aus Bonn ermunterte die Ganztagsschulen, ihr bisheriges Mensakonzept nicht von heute auf morgen und in einem Schwung über Bord zu werfen. „Orientieren Sie sich an den Standards und prüfen Sie in Ruhe, was schon gut bei Ihnen läuft und was noch verbessert werden kann“, empfahl sie. Ihr Tipp: Schulen können ihre Mensa und die Frage, ob sie die empfohlenen Standards erfüllen, von der DGE, aber auch von externen Einrichtungen überprüfen lassen. Eine Übersicht dazu listet die Internetseite „Schule + Essen = Note1“ auf.

Besonders wichtig sei, die Schulverpflegung und alle damit verbundenen Kriterien als Gemeinschaftsaufgabe zu betrachten. „Nur, wenn Sie alle mitnehmen, wird es Ihnen gelingen, die Akzeptanz zu erhöhen“, erklärte sie. Die mitunter wenig populäre Reduzierung des Fleischkonsums etwa bedürfe einer solchen Akzeptanz. Laut DGE-Standard sollen auf den Speiseplänen der Schulmensen Fleisch und Fisch nur einmal wöchentlich auftauchen.

Erklärvideos steigern Akzeptanz

Den Weg zu einer solchen Schulverpflegung sollte eine transparente und klare Kommunikation begleiten. Darauf wiesen auch Prof. Dr. Christine Küster von der Hochschule Fulda sowie die dort studierende Sophia Lamprecht hin. Lamprecht hat in ihrer Bachelorarbeit Videoclips für Grundschülerinnen und -schüler und Eltern entwickelt, mit deren Hilfe die Akzeptanz der Schulverpflegung gesteigert werden kann. Sie beantwortet damit die immer wieder spannende und relevante Frage, wie man diese Zielgruppe erreicht und überzeugt.

Der Videoclip für die Grundschulen erläutert beispielsweise in verständlicher, kindgerechter Sprache, warum zu viel Fleisch und Fisch „ungünstig für Deine Gesundheit und die Natur“ ist. Sophia Lamprecht ist überzeugt, dass solch ein Clip die Kinder erreicht: „Erklärvideos werden immer beliebter. 87 Prozent der Kinder nutzen wöchentlich bei YouTube ein solches.“ Aber sie betonte auch: „Die persönliche Aufklärung ist trotz solcher Erklärvideos erforderlich und wichtig.“ Stephanie Klein bot an, gemeinsam mit dem Arbeitersamariterbund Hessen auszuloten, wie die Erklärvideos einer breiten Schulöffentlichkeit zur Verfügung gestellt werden können.

Als weitere Maßnahmen zur Steigerung der Akzeptanz schlug Lamprecht vor: pflanzliche Lebensmittel schmackhaft und erfahrbar zu machen, stets eine Kombination von bekannten und unbekannten Lebensmitteln anzubieten und Portionsgrößen frei wählen zu lassen. Insgesamt sei es wichtig, regelmäßig ein Feedback von allen Mensagästen einzuholen. Die Eltern sollten immer einbezogen werden, etwa bei Elternabenden oder durch Informationsbroschüren.

Sie kam zu dem Fazit, dass die DGE-Qualitätsstandards noch bekannter und verpflichtend sein müssten, dass Kinder und Eltern bei der Speiseauswahl mitsprechen dürfen und dass viel für eine gute Atmosphäre in der Mensa getan werden müsse: „Denn die Gesamtatmosphäre spielt eine entscheidende Rolle für die Teilnahme an der Schulverpflegung.“

Mensaausschuss und Mensaknigge

Den Ausführungen stimmte Claudia Wolff, die Leiterin der Schillerschule in Frankfurt, eines Gymnasiums mit rund 1.250 Schülerinnen und Schülern, ausdrücklich zu. Sie konnte aus eigener Erfahrung berichten. An der Schillerschule tagt ein- bis zweimal pro Halbjahr der Mensaausschuss. Ihm gehören Schülerinnen und Schüler, Lehrkräfte, Schulleitung, aber eben auch der Caterer an. „Das Mensateam muss integriert werden. Man kennt sich, das ist wichtig“, erläuterte Wolff.

An ihrer Schule bedeutet dies auch, dass die Mensa auf Elternabenden vorgestellt wird und das Mensateam den freitäglichen Infobrief der Schule erhält. Das Mensateam übernimmt meist das Catering für Schulveranstaltungen und bietet beispielsweise das Frühstück für Austauschschülerinnen und -schüler an.

Die Beratungen im Mensaausschuss trügen dazu bei, dass sich möglichst viele angelockt fühlten. Wolff: „Es ist halt ein Balanceakt zwischen den Geschmäckern, der Schülerinnen und Schülern ebenso wie der Lehrkräfte. „Wir Lehrkräfte nutzen die Mensa natürlich auch nur, wenn es schmeckt und gleichzeitig eine gewisse Ordnung und Ruhe herrscht“, meinte sie. Gleichzeitig ermögliche die Anwesenheit der Lehrkräfte die Aufsicht im Raum. Denn, so fügte sie hinzu: „Wir möchten, dass die gemeinsam verabredeten Regeln auch eingehalten werden.“

Die Schillerschule hat einen Mensaknigge entwickelt. Er regelt das Verhalten beim Essen und nach dem Essen. „Man muss immer dran bleiben, dass der Knigge auch umgesetzt wird.“ Ein Blick in die gepflegte und wohnlich gestaltete Mensa offenbart, dass dies offenbar doch recht gut gelingt. Wohl auch, weil sich alle mit der Mensa identifizieren. Eine Mensa müsse außerdem, so Claudia Wolff, in das Raumkonzept der Schule eingebunden sein. Sie könne ein Teil der Schulgemeinschaft sein und für vielerlei Zwecke genutzt werden, betonte sie.

Dennoch hält die Schulleiterin unter der Schlagzeile „Da müssen wir noch dran“ stichwortartig fest: Die Mensa sollte noch sauberer werden, das selbstständige Abräumen der Tisch kann noch besser klappen. Noch mehr Lehrkräfte und ältere Schülerinnen und Schüler könnten in der Mensa essen. Stoßzeiten sollen vermieden werden. Den selbstkritischen Worten würde Stephanie Klein von der DGE wohl entgegenhalten: „Eines nach dem anderen.“

Kategorien: Erweiterte Suche

Die Übernahme von Artikeln und Interviews - auch auszugsweise und/oder bei Nennung der Quelle - ist nur nach Zustimmung der Online-Redaktion erlaubt. Wir bitten um folgende Zitierweise: Autor/in: Artikelüberschrift. Datum. In: https://www.ganztagsschulen.org/xxx. Datum des Zugriffs: 00.00.0000