„Unser Schulessen“ in Brandenburg : Datum: Autor: Autor/in: Ralf Augsburg

Die Vernetzungsstelle Schulverpflegung Brandenburg startete 2020 die Plattform „Unser Schulessen“. Wie das Team die landesweite Qualitätsentwicklung unterstützt, erläutert Projektleiterin Dr. Maren Daenzer-Wiedmer.

Team Vernetzungsstelle
Jens Luther, Regina Prohaska, Maren Daenzer-Wiedmer und Katja Saupe © Vernetzungsstelle Schulverpflegung Brandenburg

Online-Redaktion: Frau Dr. Daenzer-Wiedmer, wie ist die Situation des Schulessens in Brandenburg?

Maren Daenzer-Wiedmer: In den knapp 900 Brandenburgischen Schulen gehen über 125.000 Essen pro Tag über die Theken, und etwas mehr als die Hälfte der Schülerinnen und Schüler nehmen das warme Schulmittagessen in Anspruch. Die durchschnittliche Teilnahmequote am Mittagessen liegt in Brandenburger Grund- und Förderschulen bei 68 Prozent und bei 22 Prozent in weiterführenden Schulen. Auch jede vierte Lehrkraft nutzt das Essensangebot in der Schule.

Online-Redaktion: Wie ist die Zusammenarbeit von Schulen und Caterern organisiert?

Daenzer-Wiedmer: In Brandenburg sollten idealerweise die Schulträger das Speisenangebot gemeinsam mit den Schulen organisieren. Das Abstimmungsgebot betrifft sowohl die Auswahl des Anbieters und des Speiseplans als auch die organisatorische Einbindung in den Schulbetrieb. Für die Ausstattung sind ebenfalls die Schulträger zuständig. Sie entscheiden neben der Ausstattung über die für die Organisation notwendigen Einrichtungen und tragen die Sachkosten. Die Schulen selbst sind für die Organisation des gemeinsamen Essens und für die Einbindung der Schulverpflegung in das pädagogische Konzept verantwortlich.

Online-Redaktion: Welche Mitspracherechte gibt es bei der Schulverpflegung?

Daenzer-Wiedmer: Die Schulen werden zunehmend in Entscheidungen über das Essensangebot einbezogen, das ist bei etwa zwei von drei Schulen der Fall. In neun von zehn Schulen gibt es einen Ansprechpartner oder eine Ansprechpartnerin für dieses Thema und in jeder dritten Schule bereits eine Mensa-AG oder ein entsprechendes Gremium der Beteiligung. In den genannten Gremien sind auch Schülerinnen und Schüler sowie Eltern vertreten und haben die Möglichkeit, auf die Qualität des Angebots Einfluss zu nehmen.

Vertragliche Vorgaben zur Qualität der Schulverpflegung seitens der Schulträger existieren ebenfalls bei zwei von drei Schulen, allerdings wird die Umsetzung nur selten kontrolliert. Das Land Brandenburg setzt bei der Umsetzung qualitätsvoller Schulverpflegung auf die Selbstverpflichtung der zuständigen Schulträger. Damit befinden sich die rund 300 Schulträger in eigener Verantwortung darüber, welche Qualität das Schulessen vor Ort hat. Sie entscheiden auch, welche Kosten die Eltern dafür zu tragen haben.

Ideenkatalog Schulverpflegung
Qualität der Schulverpflegung ist das Ziel. © Vernetzungsstelle Schulverpflegung Brandenburg

Online-Redaktion: Wie hoch sind die Kosten für die Eltern in Brandenburg? In Berlin gibt es ja inzwischen ein beitragsfreies Mittagessen in Ganztagsgrundschulen.

Daenzer-Wiedmer: So weit sind wir hier noch nicht. Wir haben zuletzt im Schuljahr 2016/2017 Zahlen erhoben: Da zahlten Eltern für ein Schulessen noch durchschnittlich 2,65 Euro. Einige Brandenburger Schulträger subventionieren das Schulessen auch. Mit den Änderungen in der Bundessozialgesetzgebung, die am 1. Juli 2019 in Kraft getreten sind, ist das Mittagessen für Kinder und Jugendliche aus sozial bedürftigen Familien in Schule und Hort bundesweit kostenfrei. Die bisherige Eigenbeteiligung von 1 Euro je Essen entfällt. Beantragt werden muss die Leistung jedoch weiterhin. In einem Infoblatt zum kostenfreien Mittagessen haben wir dazu die wichtigsten Fakten zusammengestellt.

Online-Redaktion: Zu Ihrer Vernetzungsstelle: Wie sind Sie organisiert?

Daenzer-Wiedmer: Unsere Vernetzungsstelle wurde im Oktober 2009 gegründet. In Trägerschaft der „Projektagentur – Gemeinnützige Gesellschaft zur Förderung von Bildung, Kultur und Umweltschutz“ bearbeiten wir seither verschiedene Projekte im gesamten Kontext der Gemeinschaftsverpflegung, also der Schulverpflegung, Kitaverpflegung und Seniorenernährung. Seit 2017 werden wir ausschließlich aus Haushaltsmitteln des Landes Brandenburg gefördert.

Unser Team setzt sich aus multiprofessionellen Spezialisten insbesondere mit einem ernährungswissenschaftlichen Hintergrund für die entsprechenden Bereiche zusammen. Katja Saupe ist für die Schulverpflegung zuständig, Jens Luther für die Kitaverpflegung und Laura Behrens für die Seniorenernährung. Regina Prohaska übernimmt projektübergreifende Aufgaben, und bei mir liegt die Gesamtkoordination. Nikos Lukas arbeitet in einem Zusatzprojekt der Gesetzlichen Krankenversicherungen Brandenburg und unterstützt uns in der Kita- und Schulverpflegung.

Mädchen in der Schulküche
Schulessen als praxisnaher Lerngegenstand. © Britta Hüning

Online-Redaktion: Welche Aufgaben hat die Vernetzungsstelle übernommen?

Daenzer-Wiedmer: Wir wollen die Qualität von Schul- und Kitaverpflegung im Land Brandenburg verbessern. Die Vernetzungsstelle steht als Ansprechpartnerin im Land Brandenburg für Fragen zur Verpflegung und Ernährungsbildung in Kitas und Schulen sowie seit Ende 2020 auch zu gesunder Ernährung von Seniorinnen und Senioren zur Verfügung. Wir möchten Akteure, Fachkräfte und Entscheidungsträger fachlich unterstützen. Dazu recherchieren wir, erstellen und aktualisieren bedarfsorientiert relevante Informationen und stellen diese über verschiedene Kommunikationsmedien zur Verfügung – auf unserer Webseite, im Newsletter und in Infobriefen. Wir beraten bei Anfragen und vermitteln Angebote von Netzwerkpartnern, führen aber auch eigene Informations- und Fortbildungsangebote durch.

Online-Redaktion: Gibt es spezielle Angebote für Ganztagsschulen?

Daenzer-Wiedmer: Wir bieten „Hilfe zur Selbsthilfe“. Das heißt, wir versorgen alle Interessierten und Vor-Ort-Engagierten mit dem nötigen Hintergrundwissen, fachlichen Informationen und Impulsen für die erfolgreiche Umsetzung. Qualitätsentwicklung in der Schulverpflegung sehen wir als einen Baustein der ganzheitlichen Qualitätsentwicklung der Schule. Eine am Lebensalltag der Schülerinnen und Schüler ausgerichtete Ernährungsbildung unterstützt wiederum die Etablierung guter, bedarfsorientierter Verpflegungskonzepte. 

Deshalb geben wir auch Anregungen, wie Schulen ihr Schulessen zum praxisnahen Lerngegenstand machen können. Bei unseren Angeboten und Fortbildungen achten wir darauf, dass alle Beteiligten – die Kita- und Schulverwaltungen, die Essensanbieter, die Träger, die Eltern und die Schülervertretungen – einbezogen sind und der Erfahrungsaustausch untereinander gefördert wird. Die Schulen erhalten beispielsweise Informationen zum „DGE-Qualitätsstandard für die Verpflegung in Schulen“, zu Ansätzen für geeignete Rahmenbedingungen in Schulen und Horten, zu den verschiedenen Verpflegungs- und Bewirtschaftungssystemen und zur optimalen, gesundheitsfördernden Verpflegung von Kindern und Jugendlichen.

Kochen in der Realschule plus Gerolstein
Gute Praxisbeispiele verbreiten und ... © Britta Hüning

Außerdem verbreiten wir gute Praxisbeispiele in Brandenburg ebenso wie aktuelle Erhebungen und Untersuchungsergebnisse oder verfügbare Arbeitshilfen und Unterstützungsangebote. Oft helfen wir den Schulen auch bei der individuellen Bedarfsermittlung und Qualitätssicherung, erläutern ihnen die Anwendung des DGE-Qualitätsstandards und der Checklisten der Deutschen Gesellschaft für Ernährung. Ganz allgemein bieten wir Anregungen für Ernährungsbildung und Fortbildungen für unterschiedliche Akteursgruppen an.

Online-Redaktion: Welche „Akteursgruppen“ sind das?

Daenzer-Wiedmer: Grundsätzlich beraten wir alle am Schulessen beteiligten Akteure. Dazu gehören die Schulträger, die für die Organisation der Schulverpflegung zuständig sind, ebenso wie die Verantwortlichen in den Schulen, die dafür sorgen, dass die Pausenverpflegung gut in die schulischen Abläufe und das Schulessen ganzheitlich in das schulische Konzept integriert werden. Natürlich sind wir auch Ansprechpartner für die Schülerinnen und Schülern oder die Eltern. Von deren Partizipationsmöglichkeiten hängt es ja ganz erheblich ab, ob das Schulessen als positives Element im Schulalltag wahrgenommen wird. 

Online-Redaktion: Wo ist der Beratungsbedarf besonders hoch?

Daenzer-Wiedmer: Lehrerinnen und Lehrer, aber auch Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Gesundheitsförderung in Brandenburger Schulen nutzen sehr gern unsere Informationsangebote zu Unterrichtsmaterialien, zu Projekten und zu Netzwerkpartnern im Bereich Ernährungsbildung. Wir stellen beispielsweise Materialien für verschiedene Schulformen und zu verschiedenen Themenfeldern zusammen. Zweimal im Jahr, jeweils am Beginn des Schulhalbjahres, informieren wir in digitalen Infobriefen zu neuen Unterrichtsmaterialien und Fortbildungsmöglichkeiten, aber auch über laufende Wettbewerbe zur schulischen Ernährungs- und Verbraucherbildung. In diesen „kuratierten“ Materialsammlungen stellen wir immer wieder die Schnittstellen zum schuleigenen Verpflegungsangebot heraus. Aktuell haben wir Tipps für Projekte und verfügbare Online-Materialien zusammengestellt, die sich auch im Distanzunterricht nutzen lassen.

Online-Redaktion: 2020 haben Sie die Web-Plattform „Unser Schulessen“ gestartet. Mit welcher Intention?

Slogan Unser Schulessen
Web-Anwendung „Unser Schulessen“ © Helliwood media & education im fjs e.V.

Daenzer-Wiedmer: Wir haben die Web-Anwendung entwickelt, weil wir personell keine individuelle Begleitung von Schulen in Brandenburg anbieten können. Uns ist wichtig, dass bei der Ausgestaltung des Schulessens diejenigen mitwirken, die täglich essen. „Unser Schulessen“ bietet einerseits einen geschützten schulindividuellen Online-Arbeitsbereich und andererseits eine öffentliche Informationsseite mit Hintergrundinformation, Lernideen und konkreten Unterrichtsvorschlägen. Die Schülerinnen und Schüler können mit dieser Web-Anwendung ebenso aktiv werden wie Lehrerinnen und Lehrer. Sie können die Qualitätsentwicklung transparent innerhalb der Schule kommunizieren. Schulen können mit einem Tool sogar ihre Daten zur Schulverpflegung individuell verwalten und zu Informationszwecken nutzen. 

Per Qualitätscheck kann jede Schule das eigene Schulessen im Ampelsystem bewerten. In einem Qualitätszirkel können dann Verbesserungen geplant, Ergebnisse kommuniziert und mit dem Zufriedenheitsbarometer individuelle Umfragen zum Schulessen durchgeführt werden. Wir sind davon überzeugt, dass gute Schulverpflegung durch ein gemeinsam entwickeltes Verständnis zu ihrer Ausgestaltung, zur Esskultur und zum sozialen Miteinander gelingt.

Online-Redaktion: Vielen Dank für das Interview!

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