Fortbildung für den Ganztag: Akademie Dillingen : Datum: Autor: Autor/in: Ralf Augsburg

Immer noch starten Schulen als Ganztagsschulen. Die Akademie für Lehrerfortbildung und Personalführung Dillingen hat ein Online-Format entwickelt, um interessierte Lehrkräfte und Schulleitungen zu beraten.

„Der Ganztag bietet eine Riesenchance“, begrüßte Tanja Mayr, Referentin an der Akademie für Lehrerfortbildung und Personalführung Dillingen, am 23. Juni 2020 rund 50 Interessierte zu der Online-Lehrerfortbildung „Chance Ganztag nutzen! Gestaltung und Weiterentwicklung von Ganztagsschulen“.

Die Akademie für Lehrerfortbildung und Personalführung Dillingen ist seit 1971 die zentrale Institution der Lehrerfortbildung in Bayern. Seit 1997 obliegen ihr außerdem die Aufgaben der Führungskräfte-Fortbildung, also der Ausbildung der Schulleitungen und der Schulaufsicht. Es lässt sich erahnen, vor welchen nie dagewesenen Herausforderungen die Akademie in den letzten Monaten steht: Hunderte von Fortbildungen und Lehrgängen wurden in Online-Formate überführt, darunter die derzeit besonders dringliche Fortbildung von Schulleitungen, Lehrkräften und Systembetreuerteams zum Einsatz digitaler Medien.

Team „Ganztag“ in Bayern

Gebäudeansicht Akademie Dillingen
© Akademie Dillingen

In den letzten Jahren hat die Akademie ein ständiges umfangreiches Fortbildungsangebot für Lehrkräfte und Schulleitungen an Ganztagsschulen geboten, insbesondere auch für Schulen, die den Ganztag neu einrichten wollen. Das Online-Seminar „Die Chance Ganztag nutzen“ knüpfte daran an und konnte dafür Expertinnen und Experten gewinnen: darunter das Team „Ganztag“ des Staatsinstituts für Schulqualität und Bildungsforschung (ISB) um Referatsleiterin Stefanie Pistor.

Dieses hat seit 2016 die Aufgaben der Serviceagentur „Ganztägig lernen Bayern“ übernommen und berät bayerische Ganztagsschulen in allen pädagogischen Belangen. Zum Referat „Ganztag“ gehören Katrin Weigert, Daniel Reitberger, Stefan Rochelmeyer und Sabine Silberhorn, die in den zwei Stunden in die Themen „Möglichkeiten von offenem und gebundenem Ganztag“, „Kooperationen“, „Förderung im Ganztag“ und „Freizeit im Ganztag“ einführten. 

Den Themenreigen eröffnete Stefanie Pistor, Referatsleiterin Ganztag im Staatsinstitut für Schulqualität und Bildungsforschung (ISB), die die Möglichkeiten und Chancen des offenen und gebundenen Ganztags in Bayern vorstellte. Sie informierte jedoch zunächst über die Vielfalt der „verschiedenen Ganztagsformen“ und ganztägiger Betreuungsangebote, wie sie sich im Freistaat entwickelt haben.

Auf der einen Seite sind das die schulischen Formen: offener Ganztag, gebundener Ganztag und Mittagsbetreuung. Sie alle liegen in der Zuständigkeit des Kultusministeriums, und für den Ganztag trägt jeweils die Schulleitung die Gesamtverantwortung. Bis auf das Mittagessen ist das Ganztagsangebot für die Eltern kostenfrei. Im gebundenen Ganztag erhält die Schule zwölf zusätzliche Lehrerstunden und dazu pro Klasse etwa sechs Stunden für außerschulisches Personal, in der Grundschule sogar rund zehn Stunden.

Qualitätsrahmen Ganztagsschule mit unterschiedlichen Konzepten

Unterricht bei Lehrerin
© Britta Hüning

Der gebundene Ganztag definiert sich in Bayern durch die Anwesenheitszeit über 7,5 Stunden an vier Tagen der Woche – im Klassenverband. Im Modell des offenen Ganztags nutzen die Schülerinnen und Schüler in gemischten Gruppen an mindestens zwei Tagen das Ganztagsangebot freiwillig. Aber in beiden Formen soll das Mehr an Zeit „für die individuelle Förderung genutzt werden und die soziale, intellektuelle und körperliche Entwicklung der Lernenden unterstützen“. Multiprofessionelle Teams sollen das Schulleben und die Erfahrungswelt aller Beteiligten bereichern. Und vor allem soll der Ganztag zu mehr Bildungsgerechtigkeit beitragen, erläuterte Stefanie Pistor den bayerischen Weg.

Auf der anderen Seite gibt es die Tradition der außerschulischen Betreuung im Hort. Für die Horte ist das Bayerische Staatsministerium für Familie, Arbeit und Soziales zuständig, und die Gesamtverantwortung für den Hort liegt beim jeweiligen Träger, in der Regel unabhängig von der Schule. In den letzten Jahren ist auch noch eine Sonderform entstanden: Im „kooperativen Ganztag“ arbeiten die Hortleitung und die Schulleitung beziehungsweise die Leitung des offenen oder gebundenen Ganztags zusammen. „Das findet unter einem Dach statt.“

Stefanie Pistor möchte die unterschiedlichen Formen der Ganztagsschule oder Ganztagsbetreuung nicht vergleichend bewerten, denn jede Schule unterscheide sich stark in den Angeboten, in ihren Schwerpunkten, dem pädagogischen Personal, aber auch beispielsweise in der Zusammensetzung der Schülerschaft. „Jede Schule entwirft ihrem Schulprofil entsprechend ihr eigenes Konzept für den Ganztag, das sich aber immer am Qualitätsrahmen Ganztagsschule des Kultusministeriums orientiert.“ Dieser wird derzeit gerade überarbeitet, merkte die Referatsleiterin bei dieser Gelegenheit an.

„Auf die Haltung kommt es an“

Bei den vielfältigen Anforderungen, die an Ganztagsschulen gestellt werden, sind Kooperationen unabdingbar, und zwar Kooperationen mit einer großen Bandbreite an Professionen und Tätigkeitsfeldern. Karin Weigert von der Serviceagentur „Ganztägig lernen“ im ISB stellte „nach Jahren, in denen ich selbst im Ganztag mitgearbeitet habe und als Ganztagskoordinatorin viele Ganztagsschulen besuchen durfte“, zwei Thesen zum Thema Kooperation auf:

Schülerin in der Bibliothek
© Britta Hüning

„Im Ganztag begegnen sich die verschiedenen Professionen auf Augenhöhe und gestalten die Zeit gemeinsam für die Kinder und Jugendlichen.“ Die zweite These lautete: „im Ganztag werden unterschiedliches pädagogisches Fachwissen und Kompetenzen gebündelt und zum Wohl des Kindes und zur Förderung der Schülerinnen und Schüler, auch in speziellen Fällen wie der Förderung von Deutsch als Fremdsprache, eingesetzt.“

Zusammen könnten auch außerschulische Lernorte wie Bibliotheken, Spielplätze oder Museen aufgesucht werden. „Kooperationen können besonders gut gelingen, wenn wir die spezifische Sichtweise des Partners anerkennen und als gleichwertig ansehen“, resümierte Katrin Weigert.

Für Lehrer Daniel Reitberger, in der Serviceagentur im ISB der Ansprechpartner für Grundschulen, bietet der Ganztag mehr Zeit für individuelle Förderung, für die Anbahnung selbstgesteuerten Lernens und für andere Lernformen im Unterricht und in den Lernzeiten. Gerade die Entwicklung überfachlicher und sozialer Kompetenzen gelinge den Ganztagsschulen nachweislich, wie die StEG-Studie gezeigt habe. Das Ganztagsteam des ISB habe sich besonders die Frage gestellt: „Welche Lernstrategien helfen beim selbstgesteuerten Lernen?“ und Ideen für die Lernzeiten entwickelt.

Ein weiterer Schwerpunkt sind die Lehrer-Schüler-Beziehungen. Wie können Lehrkräfte und pädagogische Fachkräfte im Ganztag positive Beziehungen zu den Lernenden aufbauen? Dabei geht es auch um Techniken, präsent zu sein und Lernen und Angebote störungsfrei zu gestalten. Eine positive Einstellung gegenüber den Lernenden sieht Daniel Reitberger als Grundstein für gelingendes Lehren und Lernen im Ganztag: „Auf die Haltung kommt es an.“ Das ISB-Team stellt dafür eine Reihe von Materialien zur Verfügung.

Höhere Verantwortung im Ganztag

Beim Thema „Freizeit im Ganztag“ konzentrierten sich Lehrerin Sabine Silberhorn und Stefan Rochelmeyer auf Entspannungs- und Bewegungsangebote. Als AGs oder als Projekte organisiert, können solche Angebote ein konzentriertes und effektives Lernen im Ganztag unterstützen. Sabine Silberhorn sieht darin sogar einen „im Sinne der Rhythmisierung unverzichtbaren Bereich im Ganztagsangebot“, denn Freizeit und freie Zeit bildeten „das Gegengewicht zur Unterrichtszeit“ und unterstützten die Entwicklung der Persönlichkeit. „Je nach Schwerpunktsetzung kann die mathematisch-naturwissenschaftliche oder die künstlerisch-musische Bildung oder auch die Gesundheitsorientierung im Mittelpunkt stehen und auch in den Unterricht integriert werden.“

Schulgruppe Gymnasium Moosach
Alpenüberquerung mit Lehrer Stefan Rochelmeyer © Gymnasium Moosach

Stefan Rochelmeyer, der auch Deutsch- und Sportlehrer am Gymnasium München-Moosach ist, ergänzte den letztgenannten Bereich: „Durch die vermehrte Zeit, die die Schülerinnen und Schüler an der Schule verbringen, haben wir auch eine höhere Verantwortung für ihre gesundheitliche Entwicklung. Schon deshalb muss der Ganztag Themen wie Bewegung, Entspannung und Ernährung mitberücksichtigen.“

Er führte die Mindestbewegungszeit von einer Stunde täglich an, die von der Weltgesundheitsorganisation für Kinder empfohlen wird. Das bedeute, dass der Sportunterricht alleine mit seinen zwei bis drei Wochenstunden nicht ausreicht. Bewegung könne zum Beispiel mit Bewegungspausen in den rhythmisierten Tagesablauf integriert werden. Bewegte Mittagspausen könnten auch Schülerinnen und Schülern selbst organisieren, oder Schülertutorinnen und -tutoren könnten Sport- und Bewegungsangebote für die Jüngeren anleiten. Als Beispiel stellte er das bayerische Kooperationsmodell „Sport-nach-1 in Schule und Verein“ vor.

Weitere Online-Fortbildungen sind schon geplant

Abschließend ging es um Fragen der Antragstellung und um rechtliche Fragen. Worauf es bei der Beantragung des Ganztags ankommt, erläuterte Sabine Kunz, die Ganztagskoordinatorin der Regierung der Oberpfalz. Die sieben Regierungsbezirke in Bayern sind staatliche Mittelbehörden, denen wiederum die staatlichen Schulämter zugeordnet sind. Ihre Behörde stellte Sabine Kunz somit auch als „Schnittstelle zwischen Schulen, Schulämtern und Kultusministerium“ vor.

„Wir beraten die Schulen zur Antragstellung, zu Räumlichkeiten und zum pädagogischen Konzept“, erläuterte die Mittelschullehrerin, die selbst zehn Jahre im gebundenen Ganztag gearbeitet hat. „Bevor ich einen Antrag zur Umwandlung in eine Ganztagsschule stelle, muss ich mir überlegen, welche Ziele ich mit dem Ganztag verfolge.“ Von Vorteil ist es, gleich zu Beginn „Schulamt, Regierung, Schulaufwandsträger und Elternbeirat ins Boot holen und vielleicht auch schon mit potenziellen Kooperationspartnern sprechen“, empfahl Sabine Kunz.

Zum Abschluss des Online-Seminars widmete sich Sandra Wollani vom Staatsministerium für Unterricht und Kultus verschiedenen rechtlichen Fragen, beispielsweise bei der Einstellung externen Personals, das über die Bezirksregierung, aber auch über Kooperationspartner und Kommunen angestellt werden kann. So gab die Online-Veranstaltung einen guten Überblick über den Stand der Ganztagsentwicklung in Bayern und bot für die Teilnehmerinnen und Teilnehmer auch die Möglichkeit für Nachfragen. Nicht alle Themen konnten in den zwei Stunden vertieft werden, doch das Seminar war erst der Anfang: Für das kommende Schuljahr plant die Akademie für Lehrerfortbildung und Personalführung Dillingen weitere „E-Sessions“ im Abstand von zwei Monaten, wie Tanja Mayr ankündigte.

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