Fachtag Bildende Kunst 2015 in Hamburg : Datum: Autor: Autor/in: Claudia Pittelkow

Beim Fachtag Bildende Kunst im Landesinstitut für Lehrerbildung und Schulentwicklung trafen sich 240 Hamburger Kunstpädagoginnen und Kunstpädagogen zur Fortbildung – fast alle kamen aus Ganztagsschulen.

Claudia Pittelkow
Workshop-Arbeit: Bevor die Kunstpädagogen die unterschiedlichen Unterrichtsmaterialien ausprobieren durften, gab es eine theoretische Einführung. © Claudia Pittelkow

Im geräumigen Klassenzimmer sind die Tische und Stühle zu sechs Inseln zusammengeschoben. Ganz unterschiedliche Materialien und Werkzeuge liegen an den einzelnen Stationen: Pappe, Papier, Wolle, Bindfäden, Holz- und Plastikteile, Rasierschaum, Kleber, Scheren, Strohhalme und natürlich alle Arten von Zeichengeräten – Bleistifte, Filzstifte, Kugelschreiber, Pinsel. Nach einer kurzen Einführung ins Thema darf losgelegt werden. Es geht um das Prinzip Zufall in der Kunst. „Die Einbeziehung des Zufalls in den Prozess der Werkentstehung ist ein wiederkehrendes Konzept in den Arbeiten von Picasso, Duchamp, Pollock und de Saint Phalle“, doziert Kunstlehrerin Britta Mitzlaff.

Wenn sie an ihrer Ganztagsgrundschule Wielandstraße im Hamburger Stadtteil Eilbek unterrichtet, lässt Britta Mitzlaff solche theoretischen Ausführungen über die Kunst im 20. und 21. Jahrhundert normalerweise weg, doch heute ist kein normaler Schultag: Nicht Grundschüler sitzen an diesem Tag vor ihr in der Klasse, sondern Kunstlehrerinnen und Kunstlehrer wie sie selbst – allesamt Besucher des „Fachtags Bildende Kunst 2015“.

Insgesamt 240 Lehrkräfte aus Hamburgs Ganztagsgrundschulen, Sonderschulen, Stadtteilschulen und Gymnasien nehmen an der Fachtagung "Mit Kunst zur Kunst" am 26. September 2015 teil, auf der Kunstpädagoginnen und Kunstpädagogen aller Schulformen einen Einblick in ihre Unterrichtsmethoden gewähren. „Es geht um das Vorstellen und Hinterfragen der Arbeitsweisen der Kunst im Hinblick auf den Kunstunterricht“, sagt Julia Schwalfenberg, Kunst-Fachreferentin an der Hamburger Schulbehörde. Gemeinsam mit Eva Voermanek und Barbara Püschel von der Beratungsstelle Bildende Kunst am Landesinstitut für Lehrerbildung und Schulentwicklung hat sie die Tagung organisiert. „Das Interesse war diesmal riesig, wir hatten sogar noch weitere 50 Lehrkräfte auf der Warteliste“, sagt sie.

Jahrgangs- und schulformübergreifender Austausch

Möglicherweise liegt das nicht nur am Thema, sondern auch daran, dass der Fachtag in diesem Jahr erstmals jahrgangsübergreifend und schulformübergreifend aufgebaut ist. Julia Schwalfenberg: „Normalerweise findet zwischen Grundschulen und weiterführenden Schulen kaum Austausch statt.“ Im Vordergrund der Fachtagung steht deshalb in erster Linie der Austausch untereinander, die Möglichkeit, mit anderen Beteiligten – Lehrkräften, Behördenmitarbeitern, dem Landesinstitut sowie Museen, Galerien und Künstlern - ins (Fach-)Gespräch zu kommen. Natürlich geht es auch um das Kennenlernen innovativer Methoden der Kunstvermittlung, um Anregungen und neue Impulse für den eigenen Unterricht. Eva Voermanek: „Schließlich handelt es sich um eine Fortbildung, die Teilnehmer wollen schlauer werden.“

Nach der Begrüßung bekommen die Lehrerinnen und Lehrer zunächst einen hochkarätigen Input: Prof. Dr. Andrea Sabisch von der Universität Hamburg gibt exemplarische Einblicke in Gegenstände, Fragen, Methoden und Theorien aktueller Kunstpädagogik. Danach geht es in die einzelnen Workshops. Die Dozentinnen und Dozenten sind selbst Kunstpädagogen, die Projekte aus ihrem Schulalltag vorstellen. Die insgesamt 17 Workshops finden zum größten Teil in nebeneinander liegenden Räumen statt, sodass die eine Gruppe zumindest am Rande mitbekommt, was die Gruppe im Nebenraum treibt. Am Nachmittag wird neben der Produktion auch die Rezeption Beachtung finden, denn es wird Gelegenheit zum Ausschwärmen gegeben: Vier Workshop-Ausflüge finden außerhalb des Veranstaltungsortes statt, in einer Galerie, einer Werkstatt und einem Museum in der Hamburger Innenstadt.

Workshops: Kunstpädagogen über die Schulter geschaut

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Zwei Teilnehmerinnen kleiden eine Puppe an. Ihre Aufgabe: sich dabei vom geltenden Schönheitsideal absetzen. © Claudia Pittelkow

Auf dem Tisch liegt eine nackte Puppe. Die Workshop-Teilnehmer aus weiterführenden Schulen, Stadtteilschulen und Gymnasien haben die Aufgabe, die Puppe mittels unterschiedlicher Materialien zu umhüllen. Allerdings, und das ist spannend, geht es hier nicht um klassisches Modedesign, wie man erwarten könnte. Der Titel des Workshops „KÖRPERtransFORMation“ verrät, worauf der Fokus liegt: auf einer körperformverändernden Umhüllung. Die Lehrerinnen Silke Wißmann und Katrin Buck haben das Projekt vor zwei Jahren an der Ida-Ehre-Schule in Eimsbüttel durchgeführt, jahrgangsübergreifend in Klasse 12 und 13. Heute berichten sie davon im Workshop und lassen die Kolleginnen und Kollegen selbst ausprobieren und Hand anlegen.

„Es ist eine Art Gruppenpuzzle“, schmunzelt Katrin Buck beim Blick in die Runde. An den Tischen wird diskutiert – zwei Lehrerinnen sprechen über Materialien, Formen, Schönheitsideale – und gearbeitet. Eine Puppe bekommt ein Kleid aus Klopapier, am Hals wird es mit Garn ganz fest gezurrt. „Nicht so viel Faden nehmen, lieber Papier, wegen des ästhetischen Reizes“, korrigiert eine Teilnehmerin und lockert die Halskrause. Später zeigen die Workshop-Leiterinnen das Ergebnis des Schulprojekts auf großformatigen Fotografien: fantastische Kreationen aus Papier, Watte und Wolle, präsentiert an lebenden Models, den Schülerinnen der Stadtteilschule.

Nebenan geht es um „Freie künstlerische Arbeit in der Mittelstufe“, so der vielversprechende Workshop-Titel. Dozent Nick Doormann, Grundschullehrer an der Ganztagsschule Röthmoorweg, demonstriert eine Unterrichtsstruktur, die es ermöglicht, mit den Schülern individuell und künstlerisch frei zu arbeiten. Das Thema: Durchgehen – mit der Absicht zu irritieren. Mit Kreppband verkleben die Teilnehmer offene Türen und verhindern so das Durchgehen. Nick Doormann: „Der erste Schritt – eine Tür verkleben – wird noch vorgegeben, um Erfahrungen zu sammeln. Dann geht es immer weiter in Richtung künstlerische Freiheit.“ So legt ein Teilnehmer im Flur Steine und Muscheln in den Gang und versperrt auf diese Weise den Weg. Ein paar Meter daneben klebt eine junge Frau mit schwarzem Klebeband Umrisse von Türen an weiße Wände – auch hier klappt das Durchgehen nicht.

Viele neue Techniken kennen gelernt

Im Workshop „Prinzip Zufall in der Kunst“ sind die Arbeiten inzwischen weit vorangeschritten. Nina Engel, Lehrerin an der Theodor-Haubach-Grundschule, malt mit Seifenschaum kleine grüne Monster – und ist begeistert. „Kinder lieben Monster, aber bisher habe ich mich nicht getraut, Monster zu malen“, erzählt sie. Denn wie malt man Monster? Mit der Seifenschaumtechnik geht es plötzlich ganz leicht: giftgrüne, unförmige Gebilde aufs Papier gepustet und mit schwarzem Filzstift Umrisse darum gezeichnet. „Dann noch ein paar Nasen und Augen dazu gemalt, und fertig ist das Monster!“ Genau das habe sie sich von der Tagung versprochen: Anregungen für den Unterricht und Austausch mit anderen Schulen.

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Workshop "Zufall in der Kunst": Aus zufällig gefundenen Materialien entsteht eine Figur. © Claudia Pittelkow

Auch Englisch- und Mathematiklehrerin Angela Gründemann von der Ganztagsgrundschule Vizelinstraße ist begeistert. „Ich bin keine Fachlehrerin, unterrichte aber Kunst und brauche deshalb dringend neue Ideen“, erzählt sie. Sie habe im Workshop viele neue Materialien kennengelernt, die sie nun im Kunstunterricht an ihrer Schule ausprobieren wolle. Lehrerin Vanessa Thomsen unterrichtet an der privaten Bugenhagenschule  jahrgangsübergreifend von Klasse 1 bis 3. Im Workshop hat sie vieles ausprobiert, wie die grünen Farbspritzer an Gesicht und Händen beweisen. „Ich finde es toll, dass wir hier im Schnelldurchlauf so viele verschiedene Techniken kennenlernen können“, sagt sie. Im hektischen Schulalltag bleibe dafür viel zu selten Zeit.

Ausschwärmen erlaubt: Workshops in Museen und Galerien

Neben der künstlerischen Produktion wollte die Fachtagung auch Gelegenheit zur Rezeption bieten. Mehrere Workshop-Ausflüge standen zur Auswahl: Beim Workshop „Kunstlabor“ in den Hamburger Deichtorhallen hatten die Teilnehmer die Möglichkeit, das gleichnamige Jugendprojekt zu besuchen und danach den Arbeitsablauf des Kunstlabors kennenzulernen. Für den Kunstunterricht gab es Anregungen zur Zusammenarbeit mit Künstlerinnen und Künstlern oder mit Kunstinstitutionen. Im Kunsthaus Hamburg wurde erläutert, wie Ausstellungen konzipiert und präsentiert werden und wie sich künstlerische Inhalte in Lerninhalte übersetzen lassen.

In der „Galerie der Schlumper“ gab es Praxiseinblicke zu inklusiven Projekten in Schule und Berufsvorbereitung. Überwiegend Lehrkräfte aus dem sonderpädagogischen Bereich lernten an exemplarischen Beispielen neue Möglichkeiten des Kunstunterrichts mit Schülern mit Behinderung kennen. Sonderpädagogin Katharina Rohn, die mit schwerstbehinderten Schülerinnen und Schülern im Alter von 16 bis 18 Jahren arbeitet, demonstrierte beispielsweise, wie sich künstlerische Resultate erzielen lassen. „Manche Kunstwerke entstehen am besten in Gruppenarbeit“, sagt sie.

Der Fachtag Bildende Kunst wurde mit einer Projektvorstellung von Prof. Dr. Torsten Meyer, Kunstdidaktiker an der Universität zu Köln, zum Thema Kunst im Wandel abgeschlossen. Meyer hat gemeinsam mit Gila Kolb von der Universität Bremen einen Reader „What’s next?“ für die kulturelle Bildung herausgegeben. Mit Denkanstößen und vielen neuen Ideen für den Kunstunterricht wurden die Teilnehmer nach einem ereignisreichen Samstag nach Hause geschickt. „Genauso hatte ich mir diese Fortbildung vorgestellt“, fasste eine Lehrerin am Rande der Veranstaltung zusammen. „Mit vielen neuen Anregungen, neuen Leuten und übergeordneter Reflexion.“

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