Kooperation im Ganztag: „nochmal eine andere Qualität“ : Datum: Autor: Autor/in: Ralf Augsburg

Bayerische Verbände und Vereine erfüllen Ganztagsangebote mit Leben. Das Online-Seminar „Sozialen Lebensraum im Ganztag gestalten“ präsentierte zwei Beispiele aus Bamberg und Rosenheim, die für viele stehen.

Schuljugendarbeit Logo
© BJR

Häufig wird es auf Veranstaltungen rund um das Thema Ganztagsschule beklagt: Obwohl alle Beteiligten multiprofessionelle Teams in ihren Beiträgen wertschätzen, fehlt auf Tagungen und Seminaren oft der entsprechende Partner: Bei Veranstaltungen sind entweder die Lehrkräfte fast unter sich oder die außerschulischen Pädagoginnen und Pädagogen. Die Freude von Stefanie Pistor, der Leiterin des Referats Ganztag im Staatsinstitut für Schulqualität und Bildungsforschung (ISB) in München, „dass es gelungen ist, bei unserem Online-Seminar 'Sozialen Lebensraum im Ganztag gestalten' beide Professionen gleich stark für die Teilnahme zu gewinnen“, ist daher nur zu verständlich.

Um das zu erreichen, hatte sich das ISB mit dem Bayerischen Jugendring (BJR) als Co-Veranstalter zusammengetan. Am 23. März 2021 konnten sie rund 60 Teilnehmende zum zweistündigen Online-Seminar begrüßen. Durch das Programm führten Stefanie Pistor und Johannes Gfüllner vom BJR. „Wir wollen das in Zukunft öfter so durchführen, weil es uns sehr wichtig ist, die Kooperation zwischen Schulen und Kinder- und Jugendhilfe zu unterstützen“, kündigte Stefanie Pistor an. Das ISB stellte hierbei auch zahlreiche Broschüren und Materialien vor, die explizit für die Arbeit in Ganztagsschulen entwickelt wurden. Diese sollen Lehrkräften und pädagogischem Personal gleichermaßen als Unterstützung dienen.

Keine Zentralisierung „auf der grünen Wiese“...

Mit einer aktuellen und sehr passenden Mitteilung konnte Michael Rißmann, Referatsleiter im Bayerischen Staatsministerium für Unterricht und Kultus, die Veranstaltung eröffnen: „Das Kabinett hat vor zwei Stunden beschlossen, dass es auch in diesem Jahr wieder Ferienprogramme in den Pfingst- und Herbstferien durch den Bayerischen Jugendring geben soll.“ Der Referatsleiter gab schließlich einen Überblick über die Ganztagsbetreuung in Grundschulen. In Bayern liegt die Betreuungsquote im Primarbereich derzeit bei 57 Prozent. Sie verteilt sich auf die Ganztagsschulen, die Mittagsbetreuung und Horte bzw. Kitas, was einem Anstieg um 23 Prozent innerhalb von zehn Jahren entspricht.

Rißmann berichtete auch über das aktuelle Investitionsprogramm des Bundes über 750 Millionen Euro, aus dem Bayern insgesamt 116 Millionen Euro für den quantitativen und qualitativen investiven Ausbau des Ganztags erhalte. Investiert werden „in Räume und Ausstattung“. Ein Umsetzungskonzept für den Rechtsanspruch, zu dem ihn viele Anfragen von Kommunen erreichten, gebe es im Freistaat noch nicht, dies, so Michael Rißmann. werde erst erarbeitet, wenn die genauen Rahmenbedingungen feststehen. Jedoch:

Ganztagsschule Guslt Bayerhammer Straße
Grundschule Gustl-Bayrhammer-Straße in München © Stadt München

„Einen Ratschlag kann ich den Kommunen aber auf jeden Fall schon geben: Es ist immer sinnvoll, Schule und Ganztagsangebot räumlich benachbart aufzustellen.“ Von „zentralen Horten auf der grünen Wiese“, die Ganztagsbedarfe mehrerer Schulen bündeln, rät Rißmann eher ab. „Da kann es kaum zu einer vertrauensvollen Zusammenarbeit der Einrichtungen kommen. Gerade für schulische Förderangebote am Nachmittag ist es günstiger, wenn sie räumlich nah beieinander liegen.“

....sondern Kooperative Ganztagsbildung

In München werden die Kooperationen von Schulen mit dem Stadtjugendring sehr gut angenommen: die Kombi-Einrichtungen, die in der bayerischen Hauptstadt, aber nicht nur dort, als Modellprojekt „Kooperative Ganztagsbildung“ laufen. „Es ist ein Trend in sehr vielen bayerischen Kommunen, Schule und Hort in einem Gebäude gemeinsam unterzubringen. Hier verflechten sich Schule und der Ganztagskooperationspartner organisatorisch und personell, bringen ihre jeweiligen Stärken ein und nutzen das Schulgelände gemeinsam als ‚Bildungscampus’“. Auch Rand- und Ferienzeiten werden hier abgedeckt. Insgesamt sind 50 solcher Kombi-Einrichtungen geplant. Die Anfrage ist laut Michael Rißmann noch größer.

Johannes Gfüllner vom Bayerischen Jugendring konnte aufzeigen, dass die „Schulbezogene Jugendarbeit“ thematisch eine Menge zum Ganztagsangebot beiträgt. So bieten Jugendringe, Vereine und Verbände die Qualifizierung und Vernetzung von Schülerengagement, zum Beispiel durch die Schulung von Tutoren und die Stärkung der Schülermitwirkung. Sie vermitteln Sozialkompetenz und regen die Auseinandersetzung mit Themen wie Fair Trade und Umwelt an. Kennenlerntage unterstützen Gruppenprozesse und ermöglichen Begegnungen von Schülerinnen und Schülern unterschiedlicher Schularten. Dazu kommen Angebote der Berufsorientierung wie Azubitage und Qualitrainings. Und nicht zuletzt spielt auch das Kennenlernen der Jugendverbände selbst eine Rolle. Für die Vereine, Verbände und Schulen hat der Bayerische Jugendring Kooperationsvereinbarungen entworfen, in denen alle Aspekte von der Aufsichtspflicht bis zum Datenschutz geklärt sind.

Aufsteller Rosenheim
Die Schulbezogene Jugendarbeit koordiniert die Kooperation mit Vereinen © KJR Rosenheim

Über zehn Jahre lang ist Claudia Kreutzer vom Kreisjugendring Rosenheim in der „Schulbezogenen Jugendarbeit“ aktiv und „brennt auch noch immer für dieses Thema“. Sie koordiniert die Kooperation von Vereinen und Schulen: Dazu gehören Musikvereine, Blaskapellen, Spielmannszüge, Trachtenvereine, die Bergwacht, die Deutsche Lebens-Rettungs-Gesellschaft, die Wasserwacht, Johanniter, Technisches Hilfswerk, Jugend des Deutschen Alpenvereins, Sportvereine und Pfadfinder. Alle ermöglichen den Schülerinnen und Schülern, Jugendverbände an der Schule zu erleben und Angebote der Freizeitgestaltung kennenzulernen“, so Claudia Kreutzer. Für die Sozialpädagogin ist das eine „unglaubliche Ressource“ für die Ganztagsschulen.

„Nochmal eine andere Qualität“

Die Vereine bringen eigene Kompetenzen, Fachwissen und „viel Herzblut“ in die Schulen hinein, oft im generationsübergreifendem Austausch. In den altersgemischten Gruppen lernen die Kinder und Jugendlichen voneinander und übernehmen Verantwortung. Viele Angebote, besonders aus dem Sportbereich, sorgen darüber hinaus für Integration. Das Spektrum ist weit und vielfältig; es reicht beispielsweise von einem „Projekttag Fußball“, einem „Tanz-Workshop“, einer Tischtennis-AG, einem Tag der Vereine, über „Spielen und Basteln zur Vogelwelt“, „Schnuppertennis“, „Kochlöffel“, „Schnupperkegeln“ bis zu dem Projekt „Was blüht denn da?“ des Bundes Naturschutz und Wandertagen der Jugend des Deutschen Alpenvereins.

Die Angebote können an einem Tag, mehrtägig oder halbjährlich stattfinden. „Wenn ich sehe, welche Qualität die Vereine an die Schulen bringen, dann ist das nochmal was Anderes als das, was bei uns in der Sozialarbeit passiert. Die Ehrenamtlichen der Vereine bringen die Begeisterung für die vereinsspezifischen Themen und die Arbeit mit Kindern und Jugendlichen an die Schule“, lobt Claudia Kreutzer. „Es braucht aber die Freiwilligkeit der Teilnahme und die Freude am Thema, damit das so gelingt.“

Schülerseelsorge
© Erzdiözese Bamberg

Auch die Kirche engagiert sich mit der „Schulnahen Jugendarbeit“, wie Joachim Waidmann vom Referat „Schüler*innenseelsorge“ der Erzdiözese Bamberg zu berichten wusste. Jährlich bietet die „Schulnahe Jugendarbeit“ dort rund 90 Seminare an. Bei den „Tagen der Orientierung“ fahren Klassen für zweieinhalb Tage mit Ehrenamtlichen, hauptsächlich Studierenden, in eine Jugendbildungsstätte, wo Themen wie „Klassengemeinschaft“, „Sucht“ oder „Liebe und Partnerschaft“ behandelt werden. Weitere Formate sind Motivationsseminare für Schülerinnen und Schüler, die sich „in einem Leistungsloch befinden“, und Berufsorientierungscamps.

WELTfairÄNDERUNG auf dem Schulhof

Unter dem Motto „Das Wenige, das du tun kannst, ist viel“ von Albert Schweitzer bringt die „Schulnahe Jugendarbeit“ der Erzdiözese das Projekt „Werde WELTfairÄNDERER“‟ an weiterführende Schulen. Für eine Woche können Schülerinnen und Schüler in einem auf dem Schulhof aufgebauten Zelt die Themen Umwelt und Nachhaltigkeit erforschen und auch selbst tätig werden. Dabei werden die verschiedenen Aspekte der Bildung für nachhaltige Entwicklung (BNE) spielerisch und erlebnisorientiert vermittelt. Im letzten Jahr hat Joachim Waidmann mit seinem Team besonders viele Online-Formate entwickelt, damit die Kooperationen weitergehen konnten. „Wichtig ist, sich was zu trauen. Unsere ersten Online-Seminare waren noch Kraut und Rüben, aber dann ist es immer besser geworden.“

Ende März hat die Bayerische Staatsregierung mit Verbänden den „Pakt für das Ehrenamt“ geschlossen und lobte das „bürgerschaftliche Engagement‟ der Ehrenamtlichen in den Vereinen als „Eckpfeiler und Kitt der Gesellschaft“. Das Online-Seminar von ISB und BJR demonstrierte, dass das zivilgesellschaftliche Engagement inzwischen auch zu einem nicht mehr zu missenden Eckpfeiler der Ganztagsschulen geworden ist.

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