Ganztagsschule Niedersachsen: Qualität durch Kooperation : Datum: Autor: Autor/in: Stephan Lüke

Niedersächsische Ganztagsschulen können auf bewährten Konzepten aufbauen. Kooperationen mit außerschulischen Partnern sind dabei elementarer Bestandteil attraktiver Ganztagsangebote. Kultusministerin Julia Willie Hamburg im Interview über aktuelle Entwicklungen.

Kultusministerin Julia Willie Hamburg
Kultusministerin Julia Willie Hamburg © Kultusministerium Niedersachsen

Online-Redaktion: Frau Ministerin, Niedersachsen baut seit Jahren die Ganztagsschulen aus. Wie ist der derzeitige Stand?

Julia Willie Hamburg: Tatsächlich kann Niedersachsen durch eine große Bandbreite an Maßnahmen in den vergangenen Jahren auf eine große Zahl bereits bestehender Ganztagsschulen aufbauen. Aktuell sind knapp 75 Prozent aller allgemein bildenden Schulen Ganztagsschulen, bei den Grundschulen liegt der Anteil bei 69 Prozent. Dies zeigt, dass wir auf einem guten Weg sind. Nichtsdestotrotz wissen wir, dass die Gewährleistung des Rechtsanspruchs auf Ganztagsbetreuung in der Grundschule ab 2026 ein sehr ambitioniertes Ziel ist. Deswegen arbeiten wir eng mit allen Beteiligten zusammen. Um die Schulträger beim Ausbau zu unterstützen, werden wir als Land die Hälfte des Kofinanzierungsanteils der Kommunen übernehmen.

Online-Redaktion: Welche Rolle spielt neben der Quantität die Qualität der Ganztagsangebote?

Hamburg: Qualität in der Ganztagsschule ist ganz entscheidend – und Studien legen nahe, dass die positiven Effekte einer Ganztagsschule dann wirken, wenn die Qualität auch hoch ist. Insofern hat die Landesregierung bereits vor zehn Jahren Qualitätsmaßstäbe festgeschrieben und hier auch definiert, dass Lehrkräfte eine große Rolle bei der Ganztagsgestaltung spielen und Multiprofessionalität sowie die Kooperationen mit Trägern notwendige Bedingungen im Ganztag sind. Klar ist aber auch: In so kurzer Zeit können wir nicht ausreichend Lehrkräfte und Fachkräfte gewinnen und qualifizieren. Insofern fahren wir die Kapazitäten hoch und planen mit den Beteiligten gute Lösungen. Wir werden die Qualität aber über die Zeit auch sukzessive hochfahren.

Online-Redaktion: Wie sehen Sie die Bedeutung des Personals im Ganztag und die Kooperation mit außerschulischen Partnern?

Ganztag in Kooperation
Ganztag in Kooperation © Offene Ganztagsgrundschule Rühme

Hamburg: Außerschulische Kooperationspartnerinnen und -partner sind ein elementarer Bestandteil attraktiver Angebote im Ganztagsbetrieb. Sie können jungen Menschen ganz neue Sichtweisen und Erfahrungswerte vermitteln. Je länger der Schulbetrieb am Tag dauert – je mehr Lebenszeit in der Schule verbracht wird –, desto entscheidender werden anderes Personal und auch ergänzende Angebote für die Kinder und Jugendlichen. So müssen beispielsweise auch kommunale Angebote der Jugendhilfe, Familienberatung und Elternarbeit sowie psychologische Angebote in den Blick genommen werden und an Schule stattfinden. Umso wichtiger sind auch hier ein guter Austausch und die Kooperation.

Online-Redaktion: Welche Unterstützung und Fortbildung erhalten die Ganztagsschulen im Land, um sich weiterzuentwickeln?

Hamburg: Das schulische Personal kann im Bereich Ganztag auf ein umfangreiches Fortbildungsangebot des Landes zurückgreifen. Hinzu kommen die Fachberatungen für Unterrichtsqualität und die Schulentwicklungsberatung, die die Schulen bei der Weiterentwicklung tatkräftig unterstützen können. Durch die Verwaltungsvereinbarung des Bundes erhält Niedersachsen für die kommenden Jahre weitere rund 278 Millionen Euro für die Investition in die Schulen. Zudem gibt es eine Schulbauberatung, die Schulträger hier bei der Planung beraten kann.

Darüber hinaus beteiligt sich das Land Niedersachsen in erheblichem Umfang an der personellen Ausstattung der Ganztagsschulen und damit an den Betriebskosten. Dazu zählen der Einsatz von Lehrkräften und pädagogischen Mitarbeitenden, aber auch der Abschluss von Verträgen mit Kooperationspartnerinnen und -partnern, die über budgetierte Lehrkräftestunden finanziert werden. Mit den Kooperationspartnern sind wir darüber hinaus im Gespräch, wie wir Qualifizierungsangebote denken können, um die Angebote für die Schulen in 2026 dann auch vorhalten zu können.

Online-Redaktion: Im Mai haben Sie im Landtag über den niedersächsischen Erlass „Die Arbeit in der Ganztagsschule“ gesprochen, der novelliert werden soll. Wird es Änderungen geben?

Waldprojekt
Waldprojekt © Grundschule Häcklingen

Hamburg: Der Erlass bildet eine wichtige Grundlage für die Schulen im Ganztagsbereich, und wir können festhalten, dass er sich bewährt. Deshalb werden wir ihn nur punktuell weiterentwickeln und auf den Rechtsanspruch des Bundes anpassen. Somit können wir die Grundpfeiler beibehalten und bringen keine zusätzliche Unruhe in das System Schule. Dies ist für uns gerade in Anbetracht der Umsetzung des Rechtsanspruchs auf Ganztagsbetreuung für Kinder im Grundschulalter ab 2026 wichtig.

Bewährte Konzepte können fortgeführt werden und Schulen sich an bestehenden Konzepten orientieren. Wir wollen aber zum Beispiel dem Wunsch nach einer zusätzlichen Abholzeit in der Grundschule entsprechen. Darüber hinaus gewährleistet der Rechtsanspruch acht Stunden an fünf Tagen, und das müssen wir in dem Erlass dann natürlich auch entsprechend abbilden.

Online-Redaktion: Wo sehen Sie künftig Schwerpunkte der Ganztagsschule in Niedersachsen?

Hamburg: Vieles habe ich hier ja bereits deutlich gemacht. Wir werden die Ganztagsschule multiprofessionell ausgestalten. Schülerinnen und Schüler sollen demzufolge aus einem breiten Angebotsspektrum in unterschiedlichen Kompetenzbereichen wählen können. Das bedeutet, dass nicht nur Lehrkräfte, sondern auch pädagogische Fachkräfte oder außerschulische Kooperationspartnerinnen und ‑partner zielorientiert unter Berücksichtigung der örtlichen Gegebenheiten im Schulalltag eingesetzt werden. Damit schaffen wir eine Vielfalt im Sinne von mehr Bildungsgerechtigkeit.

Kommunale Angebote der Jugendhilfe, Familienarbeit und Gesundheitsangebote haben, wenn Kinder länger in der Schule sind, die Herausforderung, die Kinder und Eltern zu erreichen, und müssen deshalb stärker in Schule gedacht werden. Das erfordert Kooperation. Wie überall spielt der Fachkräftemangel auch hier eine besonders große Rolle. Deshalb sind wir in vielen Gesprächen, um hier einen guten Start in 2026 hinzukriegen.

Online-Redaktion: Vielen Dank für das Interview!

Seit 2009 haben auf www.ganztagsschulen.org regelmäßig Bildungsministerinnen und Bildungsminister in Interviews die Entwicklungen beim Ausbau der Ganztagsangebote in ihrem Land erläutert. Alle Interviews finden Sie in der Rubrik „Bildungspolitik: Interviews“.

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