Ganztag in Bayern: „Kinder und Jugendliche stärken“ : Datum: Autor: Autor/in: Stephan Lüke

Attraktive Ganztagsangebote mit pädagogischen Konzepten, die passgenau die Bedürfnisse, Interessen und Möglichkeiten vor Ort treffen, sind das Ziel im Freistaat Bayern. Kultusministerin Anna Stolz im Interview über aktuelle Entwicklungen.

Kultusministerin Anna Stolz
Kultusministerin Anna Stolz © StMUK

Online-Redaktion: Frau Ministerin, Sie sind seit November 2023 im Amt. Schon da hat der Bayerische Lehrerinnen- und Lehrerverband Ihnen bescheinigt, dass Inklusion und Ganztag zu Ihren „Herzensthemen“ gehören. Welche Bedeutung haben für Sie Ganztagsangebote?

Anna Stolz: Mein erklärtes Ziel ist es, mich stark für die Kinder und Jugendlichen zu machen und mich dafür einzusetzen, allen die Chance auf ein selbstbestimmtes und erfülltes Leben zu ermöglichen. Die Schule ist dabei für unsere Kinder und Jugendlichen einer der ganz zentralen Orte des sozialen Miteinanders. Deswegen findet dort auch ein wesentlicher Teil der Persönlichkeitsbildung statt. Und Schule hört nicht einfach mit dem Gong um 13 Uhr auf. Deshalb unterstützen wir von der Staatsregierung unsere Kommunen dabei, attraktive und bedarfsgerechte Ganztagsangebote zur Verfügung zu stellen.

Online-Redaktion: Wie schätzen Sie die Nachfrage bayerischer Eltern ein, zum einen in der Grundschule, zum anderen in weiterführenden Schulen?

Stolz: An unseren Grundschulen nutzen über die Hälfte der Kinder ein Angebot zur Ganztagsbetreuung: sei es die offene oder die gebundene Ganztagsschule, die Mittagsbetreuung oder die verlängerte Mittagsbetreuung beispielsweise einen Hort-Platz. Unser Ziel ist es in enger Zusammenarbeit mit den Kommunen allen Eltern, die es wünschen, für ihre Grundschulkinder ein Betreuungsangebot zu machen. Ich kann mir gut vorstellen, dass die Nachfrage in Zukunft noch steigen wird. Gerade in der Stadt müssen nicht selten beide Elternteile Vollzeit arbeiten, um die Miete und die Lebenshaltungskosten zu bezahlen.

Deshalb machen die Kommunen auch die Planung vor Ort, sie kennen schließlich die Menschen am Ort und deren Lebensumstände am besten. Auch für Kinder und Jugendliche in den weiterführenden Schulen kann eine gebundene und eine offene Ganztagsschule eingerichtet werden, wenn vor Ort der Bedarf da ist. Im vergangenen Schuljahr hatten wir hier rund 1.000 offene Ganztagsgruppen und 2.800 Ganztagsklassen gebildet.

Online-Redaktion: Welche Rolle spielt die Qualität der Angebote?

Pilotprojekt „Tablets“ in Augsburg
Pilotprojekt „Tablets“ in Augsburg © Hans-Adlhoch-Schule

Stolz: Für Eltern ist neben der Attraktivität und Qualität eines Angebots oft auch entscheidend, wie gut es zu den Bedürfnissen in den Familien passt. Mir ist es wichtig, dass es verschiedene Ganztagsangebote gibt. Für das eine Kind ist die offene Ganztagsschule oder die Mittagsbetreuung das Beste, für ein anderes Kind ist es eher die Gebundene Ganztagsklasse. Wir bemühen uns hier, zusammen mit den Kommunen allen Bedürfnissen bestmöglich gerecht zu werden.

Darüber hinaus ist für mich das pädagogische Konzept, das vor Ort gemeinsam erstellt wird, ein wichtiges Instrument, um das einzelne Angebot inhaltlich auf die Bedürfnisse, Interessen und Möglichkeiten am jeweiligen Standort zuzuschneiden. Es dient auch dazu, Unterricht und Nachmittagsangebote bestmöglich aufeinander abzustimmen und zu verzahnen.

Online-Redaktion:  Sie haben sich auch für die Stärkung der Basiskompetenzen in der Grundschule ausgesprochen. Was kann der Ganztag hier leisten?

Stolz: Für jede gebundene Ganztagsklasse in der Grundschule stellen wir zwölf zusätzliche Lehrerwochenstunden zur Verfügung. Das ist viel Zeit, auch für weitere Förderangebote. Daneben steht den Schulen ein Ganztagsbudget zur Verfügung, um mit weiterem Personal die Mittagszeit und Freizeitangebote zu gestalten. Das geschieht vielfach durch Kooperation mit außerschulischen Partnern, die wertvolle Erfahrungen und Kompetenzen zusätzlich mit einbringen.

Auch in der offenen Ganztagsschule und in der verlängerten Mittagsbetreuung bis 16 Uhr ist eine verbindliche Studierzeit bzw. Hausaufgabenbetreuung vorgesehen, um das Gelernte zu vertiefen. Neben erweiterten Lern- und Förderangeboten steht bei allen Angebotsformen vor allem auch im Vordergrund, soziale Kompetenzen und die Persönlichkeit unserer jungen Menschen zu stärken und Anregungen zu bieten, die eigene Talente zu entdecken.

Sport macht emotional und sozial stark
Sport macht emotional und sozial stark © Joseph-von-Fraunhofer-Gymnasium Cham

Online-Redaktion: Eines Ihrer erklärten Schwerpunktthemen ist der Sport in Grundschulen. Warum sind Sport und Bewegung im Ganztag besonders wichtig?

Stolz: Schülerinnen und Schüler verbringen einen großen Teil ihrer Zeit an der Schule – und im Ganztag ist das sogar noch mehr. Die Schule muss also ein Ort sein, an dem man sich wohlfühlen kann. Da gehören dann für mich ein aktives Schulleben genauso dazu wie vielfältige Kreativ- und Bewegungsangebote. Der Sport fördert die körperliche und psychische Gesundheit und stärkt, gerade bei Mannschaftssportarten, auch den sozialen Zusammenhalt. So machen wir unsere Kinder und Jugendlichen emotional und auch sozial stark!

Online-Redaktion: Welche Unterstützung erhalten Schulen, um ihre Ganztagsangebote zu verbessern?

Stolz: Wir greifen den Kommunen zum Beispiel bei der Finanzierung der Ganztagsangebote unter die Arme. Für die inhaltliche Gestaltung der Angebote zum Ganztag hält das ISB, das Institut für Schulqualität und Bildungsforschung, eine Vielzahl an Ideen, Tipps und Anregungen bereit und bietet Fachtage für das pädagogisch tätige Personal an. Auch die Ganztagskoordinatoren an den Bezirksregierungen und MB-Dienststellen stehen den Schulen beratend und unterstützend zur Seite.

Online-Redaktion: Gibt es weitere Schwerpunkte für die Zukunft, die Ihnen besonders wichtig sind?

Kultusministerin Anna Stolz besucht Münchener Grundschule
Kultusministerin Anna Stolz besucht Münchener Grundschule © Matthias Balk / StMUK

Stolz: Ich möchte die ganztägigen Bildungs- und Betreuungsangebote so gestalten, dass sie die Interessen und Bedürfnisse der Kinder und Jugendlichen noch besser im Blick haben und unsere jungen Menschen stark für das Leben machen. Schulen sollen neben einem Lernort auch ein Ort sein, an dem man gemeinsam Freizeit gestalten, Freundschaften schließen und miteinander Spaß haben kann. Damit das gelingen kann, ist mir wichtig, dass alle am Ganztag Beteiligten – Lehrkräfte, Eltern, Kooperationspartner und Kinder, aber auch Kommunen – bei der Gestaltung „ihrer“ Ganztagsschule an einem Strang ziehen.

Online-Redaktion: Vielen Dank für das Interview!

Seit 2009 haben auf www.ganztagsschulen.org regelmäßig Bildungsministerinnen und Bildungsminister in Interviews die Entwicklungen beim Ausbau der Ganztagsangebote in ihrem Land erläutert. Alle Interviews finden Sie in der Rubrik „Bildungspolitik: Interviews“.

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