Ganztagsangebot mit Drei-Gänge-Menü und Teamgeist : Datum: Autor: Autor/in: Ralf Augsburg

Wem es hier schmeckt, der kann sich bei Mitschülerinnen und Mitschülern bedanken: Das Mittagessen ist Teil der Berufsorientierung in der Erlenbachschule Elz. Mit dem Ganztagsprofil 2 hat die Schule ihren Weg gefunden.

„Schüler kochen für Schüler“ © Erlenbachschule

13.10 Uhr. Gleich klingelt es in der Erlenbachschule zur Mittagspause. Jetzt muss es flott gehen in der Schulküche. Gleich werden viele Schülerinnen und Schüler, ebenso Lehrkräfte und der Hausmeister an der Essensausgabe im Speisesaal stehen – um Schüsseln mit Kürbiscremesuppe und Teller mit Fischstäbchen mit selbstgestampftem Kartoffelpüree und Möhrengemüse entgegenzunehmen. Zum Nachtisch gibt es Früchtejoghurt.

Durch die verglaste Front sieht man, wie in der Küche die Mahlzeit von der Herdplatte in die Wärmebehälter wandert, die dann eilig zur Mensa gefahren werden. Vor allem aber stellt der Besucher fest: in der Küche und im Speisesaal hinter der Ausgabe werkeln und wirken Neunt- und Zehntklässler selbstständig hinter den Kochtöpfen. Erwachsene halten sich im Hintergrund. Sie achten im Wesentlichen darauf, dass insbesondere die Hygienevorgaben exakt eingehalten werden. Das eingespielte Team hat einen Namen: „Schüler kochen für Schüler“.

Schon seit 2012 schwingen Schülerinnen und Schüler dreimal die Woche die Kochlöffel – und anschließend auch die Putzlappen. „Als wir uns 2011 als Ganztagsschule beworben hatten, mussten wir ein passendes Konzept für die Berufsorientierung finden. Und gleichzeitig mussten wir ein gesundes, frisches und leckeres Mittagessen anbieten“, erinnert sich Lehrerin und Projektkoordinatorin Rebekka Neuser. „Schüler kochen für Schüler“ verbindet beides.

Routinierte Abläufe

Eine Projektgruppe entwickelte zusammen mit der Schulleitung das Konzept: Die Schülerinnen und Schüler der Klassen 9 bis 10 werden Drei-Gänge-Menüs planen, kochen und servieren. Mit dem Konzept konnte die Schule ihren Schulträger überzeugen. Der Landkreis Limburg-Weilburg unterstützte die Erlenbachschule mit der Anschaffung eines Konvektomaten, außerdem bei der Anschaffung von Mobiliar und der Einrichtung eines Kühlraums zur Lagerung von Lebensmitteln. Ein Mitarbeiter der Vernetzungsstelle Schulverpflegung Hessen stand der Schule zum Start beratend zur Seite.

© Erlenbachschule

Seitdem ist „Schüler kochen für Schüler“ als Kooperationsangebot mit den beruflichen Schulen zum festen Bestandteil des Stundenplans der Jahrgänge 8 bis 10 geworden. In den theoretischen Stunden erhalten die Schülerinnen und Schüler Hygienebelehrungen durch Mitarbeitende des Gesundheitsamtes. Sie lernen etwas über die Vorratshaltung in der Küche und die Lebensmittellagerung, die Arbeitssicherheit in den verschiedenen Küchenabläufen, über saisonale und regionale Einkaufsmöglichkeiten und über die Zusammenstellung von Menüs. Die Arbeit streift die Berufsfelder von Köchen, Systemgastronomen, Lageristen, Küchenhilfen, Bäckern, Konditoren, Metzgern und Restaurantfachkräften.

In den praktischen Stunden setzen die Jahrgänge 9 und 10 ihr Wissen unmittelbar um: In selbstständig zusammengestellten Teams und mit verteilten Ämtern bereiten sie das Drei-Gänge-Menü aus Vorspeise, Hauptgericht und Nachspeise frisch zu, decken im Speisesaal ein und geben das Essen aus. Zwei Lehrkräfte begleiten den Kochzyklus im Hintergrund. Sie müssen nicht groß eingreifen, die Abläufe sind schon routiniert. Montags kocht die Hauswirtschafterin, unterstützt von Inklusionsschülern der Abschlussklasse. Ist der große Ansturm vorbei, setzt sich das Küchenteam selbst zum Mittagessen zusammen. Anschließend geht es ans Aufräumen und Reinigen der Räume. Komplexe Aufgaben also, wie Rebekka Neuser weiß.

„Sehen sie, was man zusammen erreichen kann“

„Beim gemeinsamen Mittagstisch entstehen jeden Tag aufs Neue ganz besondere zwischenmenschliche Begegnungen der verschiedenen Jahrgangsstufen. Und die Zusammenarbeit des Küchenteams prägt den Teamgeist der Schülerinnen und Schüler‟, hat sie beobachtet. „Vor allem lernen die Jugendlichen Verantwortungsbewusstsein, denn sie wissen, dass da eine Schlange ihrer hungrigen Mitschülerinnen und Mitschüler steht, die sie nicht enttäuschen wollen.“

Die Schülerinnen und Schüler erfahren, dass ein optimales Endergebnis mit der pünktlichen Ausgabe des Menüs nur durch Teamarbeit und Aufgabenverteilung erreicht werden kann. „Vor allem aber sehen sie, was man zusammen erreichen kann, dass gemeinsame Arbeit Spaß macht. Sie bekommen viel Lob von ihren Mitschülern und den Lehrerinnen und Lehrern.“ 

Hessischer IHK-Schulpreis 2019 mit Staatssekretär Dr. Manuel Lösel (r.). © Erlenbachschule

Rebekka Neuser freut sich, dass „unsere Schülerinnen und Schüler mit ihren Aufgaben gewachsen sind, während sie sich für die Arbeitswelt qualifizieren. Das ist gelebte und nachhaltige Berufsorientierung.“ Die ist nicht unbemerkt geblieben: Im letztes Jahr hat das Projekt den Hessischen Schulpreis des Industrie- und Handelskammertages erhalten. Mit dem Preis werden im Land Hessen jährlich Schulen ausgezeichnet, die besonders gut auf den Start ins Berufsleben vorbereiten.

Königsberger Klopse und „Suppe mit Geheimnis“

„Schüler kochen für Schüler“ ist auch eine ideale Gelegenheit für die Ernährungsbildung, denn die Kinder und Jugendlichen lernen so manche Gerichte (neu) kennen. „Eine Schülerin hat sich Königsberger Klopse gewünscht, die sie nur von ihrer Oma kannte‟, erinnert sich Rebekka Neuser. „Den anderen Kindern waren sie völlig unbekannt.“ Was es mit Königsberg und den Klopsen auf sich hat, wurde dann auch zum Unterrichtsthema. „Die Schüler probieren jetzt, wenn was für sie Neues auf dem Teller landet. Das hat sich verändert‟, hat die Lehrerin beobachtet.

Auch Wild stand als Weihnachtsmenü schon auf dem Speiseplan, denn eine Kollegin ist Jägerin. Und inzwischen gehen auch die Suppen gut – ganz besonders, wenn wieder „Suppe mit Geheimnis“ auf dem Speiseplan steht. Dann können die Schülerinnen und Schüler raten, welche spezielle Zutat – beispielsweise Banane in der Currysuppe – eine Suppe veredelt. Wer es rauskriegt, kann sich einen Schoko-Obst-Spieß abholen. 

Für den kleinen Snack zwischendurch öffnet in den großen Pausen der „Saftladen“, den die Schülerinnen und Schüler ebenfalls autonom organisieren. Für ihren Schülerkiosk backen die Jugendlichen ab 7 Uhr beispielsweise Laugenbrezeln auf, belegen Brötchen und verkaufen diese in den großen Pausen, ebenso wie Müsliriegel, Wasser und Apfelsaftschorle. Mit den Einnahmen bestreiten sie wiederum den Lebensmitteleinkauf und erwirtschaften das Geld für ihre Abschlusspullis sowie die Abschlussfeier.

Schulgarten mit GemüseAckerdemie

Umweltbildung im Schulgarten von Anfang an. © Erlenbachschule

Die Lebensmittel kommen nicht mehr allein aus dem Supermarkt, sondern inzwischen verstärkt aus dem eigenen Schulgarten. Vor zwei Jahren angelegt, brachte er 2019 die Auszeichnung der Erlenbachschule als Umweltschule, eine Auszeichnung, die das Kultusministerium und das Umweltministerium für das besondere Engagement von Schulen im Bereich Umweltbildung und Bildung für nachhaltige Entwicklung vergeben. 

In 14 Beeten und zwei Hochbeeten wachsen unter anderem Chinakohl, Stoppelrübe, Radieschen, Spinat, Feldsalat, Kartoffeln, Zwiebeln, Mangold, Gurken, Zucchini, Tomaten und Kürbis. Im Wahlpflichtunterricht „Garten“ pflegen Schülerinnen und Schüler des 7. Jahrgangs den Schulgarten, in dem sie unter anderem eine Kräuterspirale angelegt haben. Seit diesem Jahr unterstützt die GemüseAckerdemie den Schulgarten. Das Häuschen für die Werkzeuge und Gartengeräte hat wiederum der Schulträger spendiert. Schülerinnen und Schüler haben es mit Unterstützung des Schulsozialarbeiters Helder Machado und der Lehrer für Arbeitslehre aufgebaut und gestrichen.

Selbstverständlich, dass in der Erntezeit das Küchenteam hier Stammgast ist. „Es macht einfach Spaß zu sehen, mit welcher Begeisterung sich die Kinder an die Arbeit machen“, freut sich Lehrerin Caterina Hendel, die den Schulgarten betreut. 

Kompetenzen entdecken – Berufswahl gestalten

„Schüler kochen für Schüler“ und der Schulgarten sind zwei Elemente der bereits in der 5. Klasse einsetzenden Berufsorientierung. Mit Girls'- und Boys' Day geht es los. Im 7. Jahrgang kommt Wahlpflichtunterricht „Werken“, „Ernährung“ und „Garten“ dazu, außerdem startet die Schülerlotsenausbildung. Im Kompetenzfeststellungsverfahren KomPo7 – Abkürzung für „Kompetenzen entdecken, Potenziale nutzen, Berufswahl gestalten“, wie das Hessische Landesprogramm heißt – beobachten Lehrkräfte die Schülerinnen und Schüler an zwei Tagen. Im Mittelpunkt stehen Teamfähigkeit und Problemlösungskompetenzen beim Bewältigen von Aufgaben, beispielsweise beim Bau einer Murmelbahn. Mit den Lehrkräften und den Eltern besprechen die Jugendlichen, welche Berufsbilder es gibt und welche eventuell in Frage kommen könnten.

Berufsorientierung ab Klasse 5. © Erlenbachschule

Ab Klasse 8 starten die „Digitalen Streitpaten“, die Mitschülerinnen und Mitschüler, aber auch Eltern bei Fragen zum Internet helfen, über Soziale Medien aufklären, oder über den Umgang mit Online-Spielen informieren. Die Berufsberatung durch die Agentur für Arbeit setzt ein, und in der Schule findet der „Abend der Berufe“ statt, an dem einmal jährlich Vertreter von Betrieben den Acht- und Neuntklässlern Berufsfelder vorstellen und Fragen beantworten. 

Im „Limburger Modell“, der Kooperation zwischen allgemeinbildenden und beruflichen Schulen in der Region, besuchen die Acht- und Neuntklässler an einem Wochentag die Berufsschule und lernen dort im Laufe eines Schuljahres vier verschiedene Berufsfelder und Betriebe der Region kennen. Sie finden dort ihre Stärken und Schwächen heraus und kommen so einer passenden Berufswahl immer näher. Auch Betriebspraktika beginnen jetzt.

Qualitativ hochwertiger Unterricht und ausreichend Zeit

„Alle Projekte stehen und fallen mit Kolleginnen und Kollegen, die dafür brennen“, betont Schulleiterin Beate Kallenbach. 50 Lehrkräfte arbeiten an der Grund- und Mittelstufenschule, die bereits seit dem Schuljahr 2013/2014 Ganztagsschule ist. Rund 450 Schülerinnen und Schülern besuchen die Schule. Angefangen hat die Erlenbachschule im Ganztagsprofil 1, bot also an drei Wochentagen ein Mittagessen und im Anschluss Hausaufgabenbetreuung oder ein AG- oder Förderangebot an. 

Im Schuljahr 2018/2019 ist die Schule ins Profil 2 gewechselt, das heißt, sie hat das Ganztagsangebot auf fünf Wochentage ausgeweitet. Damit einher ging eine neue Rhythmisierung des Schultags. „Um jeder Schülerin und jedem Schüler gerecht zu werden, brauchen wir ein vertrauensvolles Verhältnis zwischen Schülerinnen und Schülern, Lehrerinnen und Lehrern und den Eltern. Dazu gehört ein ansprechendes und vertrautes Lernumfeld. Natürlich gehört dazu ein qualitativ hochwertiger Unterricht, aber eben auch ausreichend Zeit, um neben dem Lernen noch genügend Freiraum für Freizeit und Spiel zu ermöglichen“, erklärt die Schulleiterin.

An der Erlenbachschule sind die Lehrkräfte in Jahrgangsteams organisiert. Diana Zadrus, die stellvertretende Schulleiterin, erläutert das Konzept näher: „Wir achten darauf, dass möglichst wenige Lehrkräfte ein Team bilden und die Klassenlehrkraft möglichst viele Fächer abdeckt.“ Der Schultag beginnt in der Grundschule mit einem offenen Anfang von 7.40 bis 8.00 Uhr, gefolgt von einer halbstündigen Lernzeit im Klassenverband. Lehrerinnen und Lehrer begleiten und unterstützen die Schülerinnen und Schüler bei individuellen Übungen zur Vertiefung von Lerninhalten des Unterrichts bis hin zu Recherchen und Übungen mit dem Computer. „Die Schülerinnen und Schüler lernen und üben selbstständig und individualisiert, wobei wir selbstverständlich leistungsstarken Kindern und Kindern mit Schwierigkeiten in bestimmten Bereichen passende Angebote machen“, so Diana Zadrus.

Rhythmisiert mit Entspannung, Spiel oder Bewegung

Selbstständig und individualisiert lernen. © Erlenbachschule

Die Lernzeit ersetzt auch wesentlich die Hausaufgaben. Diana Zadrus begründet das so: „Der Schultag soll möglichst abgeschlossen sein, wenn ein Kind nach einem langen Schultag nach Hause kommt.“ Nach der Lernzeit folgt der erste Unterrichtsblock von 55 Minuten, anschließend gibt es eine 15-minütige Hofpause und ein Frühstück im Klassenraum. Der zweite Block ab 9:50 Uhr dauert dann 85 Minuten. Ihm folgt die zweite Hofpause mit 20 Minuten. Im dritten Block findet für die ersten und zweiten Klassen ein musisches, künstlerisches oder sportliches Angebot statt, manchmal auch jahrgangsübergreifend. Um 12.20 Uhr endet an vier Schultagen der verpflichtende Schultag. AGs und Förderangebote finden danach noch statt. Für die Kinder der 3. und 4. Klassen endet der verpflichtende Schultag täglich um 13.10 Uhr. Auch für sie gibt es danach die Möglichkeit zu essen, zu spielen und AGs oder Förderangebote zu besuchen.

Um 14 Uhr starten dann die vorwiegend von Lehrkräften oder Schulsozialarbeitern, aber auch von Externen angebotenen Arbeitsgemeinschaften, die um 15.30 Uhr enden. Neben vielen Förderangeboten gibt es zum Beispiel eine Fahrrad-AG, Experimentieren mit den „Techniktürmen“, eine Video-AG, Zirkus, Hauswirtschaft, Keyboard und Rap. Derzeit finden gerade die Proben für das Weihnachtsstück statt, zu dem die Keyboard-AG seit Jahren beiträgt.

„... den Weg gefunden, der am besten zu unserer Schule passt“

„Die Begeisterung der Kinder zu sehen, macht Spaß!“ © Erlenbachschule

„Die Schülerinnen und Schüler sollen selbstständig und individualisiert lernen, wobei wir immer auch leistungsstarken Kindern ein entsprechendes Angebot machen“, so formuliert Diana Zadrus den Anspruch der Erlenbachschule. Die Lehrkräfte bereiten differenzierte Aufgaben in einem Wochenplan vor, die in einem Lernbegleitheft dokumentiert werden – was auch zur Transparenz für die Eltern dient. Die Schülerinnen und Schüler lernen ihren individuellen Plan jeweils zu Wochenbeginn kennen.

Sie setzen sich selbst ein Wochenziel, dessen Einhaltung sie täglich dokumentieren. Am Ende einer Woche nehmen die Kinder und Jugendlichen ihr Lernbegleitheft, das eine Rückmeldung der Lehrkraft enthält, mit nach Hause. „Bei den Fünftklässlern, die unser verändertes Konzept jetzt durchlaufen haben, fällt es schon massiv auf, dass sie selbstständiger arbeiten“, lobt Lehrerin Rebekka Neuser.

Schulleiterin Beate Kallenbach resümiert: „In vielen pädagogischen Konferenzen haben wir den Weg gefunden, der am besten zu unserer Schule passt“. Doch das Kollegium will auch „sichergehen, dass er der richtige ist. Deshalb werden wir mit einer Befragung unsere Neuerungen auf den Prüfstand stellen und in den verschiedenen Gremien diskutieren.“ Denn mit der Schulentwicklung ist es wie mit einer guten Mahlzeit – die Zutaten müssen stimmen, und es sollte allen schmecken.

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