Ganztagsgipfel Baden-Württemberg – Teil 2 : Datum: Autor: Autor/in: Ralf Augsburg

Sechs Monate nach dem ersten Ganztagsgipfel tauschten sich erneut rund 500 Teilnehmende mit Kultusministerin Dr. Susanne Eisenmann zur Zukunft der Ganztagsschule in Baden-Württemberg aus.

Die Foren diskutierten die Ergebnisse des Vormittags
Diskussion im Forum: Was heißt Qualität? © Ministerium für Kultus, Jugend und Sport Baden-Württemberg

Es ist ein Gedankenaustausch im ganz großen Stil, der am 15. Mai 2017 im Kultur- und Kongresszentrum „K“ in Kornwestheim stattfindet: Schulleitungen, Lehrerinnen und Lehrer, Schülerinnen und Schüler, Eltern, Kooperationspartner, Schulträger, Vertreter der Schulverwaltung und der Lehrerverbände sind zusammengekommen, um sich über die Zukunft der Ganztagsschule in Baden-Württemberg auszutauschen. Sie wollen Leitlinien für deren Weiterentwicklung formulieren. Was diese Veranstaltung so besonders macht, ist die Tatsache, dass es sich beim zweiten Ganztagsgipfel um eine nahtlose Fortsetzung handelt.

Sechs Monate zuvor hatten sich die gleichen Akteure auf Einladung des Ministeriums für Kultus, Jugend und Sport an selbiger Stelle zum ersten Ganztagsgipfel getroffen, um eine Bestandsaufnahme zur Situation der Ganztagsschulen im Land vorzunehmen. Damals ging es darum, Entwicklungsbedarfe zu formulieren und Knackpunkte aufzuzeigen. Kultusministerin Dr. Susanne Eisenmann versprach, dass die Ergebnisse weiterdiskutiert und auf die Agenda des Kultusministeriums gesetzt würden.

Der Ausgleich von Interessen und das Abwägen von Chancen machen eine liberale Demokratie aus, und in Kornwestheim war dieser Prozess nun in Reinkultur zu besichtigen. Nicht, dass das ohne Konflikte und Widersprüche ablief – viele Teilnehmerinnen und Teilnehmer berichteten am Ende des Tages davon, dass es in den insgesamt 14 thematischen Foren am Mittag „erhöhten Gesprächsbedarf mit kontroversen Meinungen gab“, dass „eine Polarität besteht“ und dass „wir gerungen haben“. Aber das geschah wie schon auf der ersten Veranstaltung in „konstruktiver Atmosphäre“. Mit Respekt vor den Argumenten des Gegenübers.

Beratungsergebnisse fließen in politische Entscheidungsfindung

Zwischen den beiden Terminen hatten sich seit Januar drei Fachgruppen jeweils sechsmal im Kultusministerium getroffen. Die erste Fachgruppe diskutierte über die „Fortschreibung der Ganztagsschule nach § 4a des Schulgesetzes“, mit dem seit 2014 der Ganztag an Grundschulen und den Grundstufen der Förderschulen verankert ist. Die zweite Gruppe nahm sich die „Weiterentwicklung der Ganztagsschule in der Sekundarstufe I“ vor, während die dritte Gruppe über die Weiterentwicklung des Mittagsbandes sprach.

Susanne Eisenmann
Kultusministerin Dr. Susanne Eisenmann © Ministerium für Kultus, Jugend und Sport Baden-Württemberg

„Die Treffen in unserem Hause“, erklärte Ministerin Eisenmann vor der Vorstellung der wichtigsten Ergebnisse dieser Fachgruppen, „fanden mit viel Engagement und intensiven und detaillierten Diskussionen statt. Die Beratungsergebnisse sind in die politische Entscheidungsfindung des Ministeriums hereingenommen worden.“ Zum Auftakt des zweiten Ganztagsgipfels präsentierten die Fachgruppen nun ihre Ergebnisse und überreichten diese symbolisch in drei Mappen an die Kultusministerin.

Die Vorschläge der Fachgruppe „Fortschreibung der Ganztagsschule nach § 4a des Schulgesetzes“ stellte Werner Nagel, stellvertretender Schulamtsleiter in Donaueschingen, vor: „Eine Schule soll sich nur Ganztagsschule nennen können, wenn sie an vier oder fünf Tagen für mindestens sieben Zeitstunden ein schulisches Angebot hat. An mindestens drei Tagen ist der Ganztag verbindlich für alle, an zwei Tagen gibt es freiwillige Angebote. Für alternative Angebote außerhalb der Schule besteht die Möglichkeit, sich vom Ganztagsangebot befreien zu lassen.“

Die Rhythmisierung müsse dabei das Prinzip aller Modulvarianten sein; vor und nach der Ganztagsschule könnten individuelle Betreuungsformen angeboten werden. Als Basis für die Zusammenarbeit mit außerschulischen Partnern solle weiterhin die Rahmenvereinbarung „Kooperationsoffensive Ganztagsschule“ die Grundlage bilden. Denn die habe sich bewährt. Es sei zu überlegen, so Werner Nagel, „ob es ein Anreizsystem für Kooperationen durch zusätzliche Ressourcen geben sollte.“

Mittagsband als Bestandteil des pädagogischen Konzepts

Die zweite Fachgruppe „Weiterentwicklung der Ganztagsschule in der Sek I“ hielt laut Matthias Fiola vom Landeselternbeirat „jugendgerechte Angebote in der Ganztagsschule“ für „unabdingbar“, aber auch geschulte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Ganztag und regelmäßige gemeinsame Fortbildungen mit den Lehrkräften. Bei den Kooperationen sollten durch Verträge Verlässlichkeit geschaffen werden, Zeiten für die Vor- und Nachbereitung sind mitzudenken, außerschulische Lernorte sollten genutzt werden.

Mensa der Pestalozzischule Schwäbisch Gmünd
Pestalozzischule Schwäbisch Gmünd: mit IZBB-Mitteln ausgebaut. © Britta Hüning

Schulamtsdirektor Ulrich Damm aus Markdorf präsentierte die Ergebnisse der dritten Fachgruppe: „Das Mittagsband ist integraler Bestandteil des pädagogischen Gesamtkonzepts der Schule und liegt in der Verantwortung der Schule.“ Vorgeschlagen wurde ein zweigeteiltes Mittagsband, dessen erster 60 Minuten langer Teil verbindlich sein soll und in dem das Mittagessen möglichst als Gruppe eingenommen wird. Auch ausreichend Freiräume, Ruhe und Rückzugsräume müsse es geben. Der zweite, nicht verpflichtende Teil solle demgegenüber zeitlich nicht vorgegeben werden, aber einen inhaltlichen Bezug zum pädagogischen Profil haben. „Hier sind Ehrenamtsmodelle und Kooperationen mit Partnern ebenso vorstellbar wie der Einsatz von Lehrkräften.“

Wahlmöglichkeiten, aber qualitativ hochwertiges Angebot

Anschließend war es an Ministerin Susanne Eisenmann, wiederum die Thesen zu präsentieren, die das Ministerium vor dem Hintergrund der Arbeit in den Fachgruppen entwickelt hatte. „Eine Ganztagsschule ist kein Selbstzweck, und sie darf kein politischer Lottogewinn sein, bei dem manche Eltern und Schüler einen Platz bekommen und andere nicht. Wir brauchen Verlässlichkeit“, so die Ministerin. „Wir müssen einen Kompromiss finden zwischen dem Elternwunsch nach maximaler Flexibilität und dem Wunsch der Schulen und der Kooperationspartner nach maximaler Organisierbarkeit. Die Ganztagsschule soll also Qualitätsansprüchen und Elternbedürfnissen gleichermaßen genügen.“

Jede Arbeitsgruppe stellte ihre Ergebnisse dem Plenum vor
Jede Arbeitsgruppe stellte ihre Ergebnisse im Plenum vor © Ministerium für Kultus, Jugend und Sport Baden-Württemberg

Die Ministerin stellte drei künftige Wahlmöglichkeiten vor: eine rhythmisierte Ganztagsschule mit einem ganztägigen, verbindlichen und schulischen Angebot, Schule mit flexiblem nachmittäglichem Betreuungsangebot und die Schule mit Unterricht nach Stundentafel ohne erweitertes Angebot, die „Halbtagsschule“. Die Wahlmöglichkeiten sollen unter bestimmten Voraussetzungen auch an einem Standort nebeneinander bestehen können. Sogenannte Mischklassen, in denen Elemente der Halb- und der Ganztagsschule zugleich angeboten werden, sollen zukünftig aber nicht mehr angeboten werden: „Wir wollen insgesamt ein qualitativ hochwertiges Angebot, das nicht durch Mischung unterschiedlicher Angebote verwässert wird.“ Hier könne es allerdings Ausnahmen in kleinen Schulen geben.

Kleine Schulen auf dem Land waren häufig Thema an diesem Tag. Um auch ihnen die Einrichtung der Ganztagsschule zu ermöglichen, soll dort die Mindestschülerzahl für eine erste Ganztagsgruppe heruntergesetzt werden. „Auch erhalten solche Schulen einen zweijährigen Bestandsschutz, sollte die Mindestschülerzahl für die Dauer eines Jahres unterschritten werden“, so Susanne Eisenmann.

Kooperationsstellen Ganztagsschule in den Kommunen

Betreuungsangebote bleiben der Ministerin zufolge kommunale Aufgabe. Die Bereitstellung der schulischen Angebote ist Landessache. „Wir wollen uns von Landesseite aus aber auch bei der Betreuungsförderung innerhalb der schulischen Kernzeiten engagieren. Damit soll dem Elternwunsch nach einem flexiblen Angebot entsprochen werden. Das Mittagsband wird dagegen organisatorisch und finanziell in der Verantwortung der Kommunen liegen.“

Kooperationspartner Kirchliche Jugendarbeit
Kooperationspartner Kirchliche Jugendarbeit © Praxishilfe "Lebens-Werte entdecken"

Die von der Ministerin vorgestellten Leitlinien wurden wiederum in den thematischen Foren besprochen, wo viele unterschiedliche Blickwinkel und Meinungen aufeinandertrafen. Die Diskussionen und Fragen aus den Foren wurden am Nachmittag wiederum dem Plenum vorgestellt. Die Idee der Einrichtung von „Kooperationsstellen Ganztagsschule“ in den Kommunen, welche die Schulen bei organisatorischen Aufgaben unterstützen sollen, traf dabei auf große Zustimmung bei den Teilnehmerinnen und Teilnehmern.

Auch die Frage verbindlicher Qualitätsstandards für Konzepte und Ausstattung sowie der Qualifizierung des außerschulischen Personals wurde diskutiert – und ebenso der Wunsch nach einer Fortführung des Beteiligungsprozesses von Seiten des Ministeriums. „Es ist wichtig, ins Gespräch zu kommen und im Gespräch zu bleiben – besonders, wenn es in die Umsetzungsphase geht“, erklärte Susanne Eisenmann, die sich zum Abschluss des austauschreichen Tages noch einmal bei den Anwesenden bedankte: „Ihre Arbeit ist entscheidend für die Arbeit in unserem Haus gewesen.“

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